Fachartikel

Seit Beginn unseres Bildungsprojektes im Sommer 2019 sind verschiedene Fachartikel veröffentlicht worden. Hier finden Sie sie in gesammelter Form. Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.

11/2022

Stefan Lahme

›› Fachleiter Politik-Wirtschaft am Studienseminar Celle für das Lehramt an Gymnasien

Die pädagogische, fachdidaktische und unterrichtspraktische Ausbildung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (LiVD) erfolgt v. a. im Studienseminar, im Rahmen von Unterrichtsbesuchen sowie im Ausbildungsunterricht. In den verschiedenen Phasen der Ausbildung spielen auch Schulleiterinnen und Schulleiter eine wichtige Rolle. Einige best-practice-Strategien und Anregungen für eine gelingende Begleitung von LiVD an der Ausbildungsschule werden hier skizziert.

1. Beginn der Ausbildung

Vor dem Dienstantritt neuer LiVD kennen Schulleiterinnen und Schulleiter i. d. R. nur deren Namen und Fächerkombinationen. Sie müssen kurzfristig über den Unterrichtseinsatz der LiVD entscheiden. Eine Vergegenwärtigung wesentlicher schul- und beamtenrechtlicher Aspekte ist in diesem Zusammenhang ratsam: Vorgesetzte oder Vorgesetzter von LiVD ist die Seminarleiterin oder der Seminarleiter. Fachleiterinnen und Fachleiter sowie Schulleiterinnen und Schulleiter und auch die betreuenden Ausbildungslehrerkräfte an den jeweiligen Ausbildungsschulen sind gegenüber den LiVD weisungsberechtigt. LiVD sind ab dem Tag ihrer Vereidigung Beamte auf Widerruf. Für sie gilt also das Beamtenrecht. Sie treffen insbesondere im Rahmen ihres eigenverantwortlichen Unterrichts recht bald Entscheidungen über Lernende, die Auswirkungen auf deren Schullaufbahn haben können. Darüber, ob und in welchem Ausmaß sie sich dessen bewusst sind, kann nur spekuliert werden. Auch sanktionieren LiVD in ihrem eigenverantwortlichen Unterricht Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern. Insbesondere zu Beginn der Ausbildung tun sie dies wahrscheinlich ohne Kenntnis der Unterschiede zwischen Erziehungsmitteln und Ordnungsmaßnahmen nach §61 NSchG. LiVD fertigen Kopien an und haben ggf. nur ein vages Wissen darüber, welche urheberrechtlichen Aspekte dabei zu beachten sind. Sie kommunizieren mit Schülerinnen und Schülern auf digitalen Plattformen – und bar besseren Wissens hoffentlich nicht über WhatsApp, TikTok oder Snapchat. Kurzum: Sie geraten in vielerlei Situationen, die aus rechtlicher Perspektive ein gewisses Risikopotenzial haben.

Es empfiehlt sich für Schulleiterinnen und Schulleiter daher, den LiVD in den ersten Tagen an ihrer Ausbildungsschule im Rahmen eines – unbedingt auch dem persönlichen Kennenlernen gewidmeten – Gesprächs zu verdeutlichen, dass die Schulleitung in schulrechtlichen Fragen die erste Ansprechpartnerin ist und LiVD sich bei Unklarheiten oder Fragen direkt an sie wenden können und sollen (vgl. Hoegg 2019: 16.). Die oder der Schulleiterin oder Schulleiter trägt schließlich die oft zitierte „Gesamtverantwortung“ (§43 NSchG). Sie oder er ist für die Einhaltung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie der Schulordnung zuständig und stellt „Lehren und Lernen entsprechend den rechtlichen Vorgaben und den schulspezifischen Beschlüssen“ (MK 2022: 8) sicher (vgl. Schröder 2020: 38f.). Schulleiterinnen und Schulleiter sind zudem Expertinnen und Experten für die besonderen Gegebenheiten vor Ort. Aufgrund der i. d. R. hohen Praxiserfahrung sind sie mit rechtlichen Aspekten von Schule bestens vertraut. Sie kennen wichtige Prinzipien, wie z. B. Verhältnismäßigkeit und Ermessen, also nicht nur die konkreten „formal-juristisch[en]“ (Baumann/Götz 2016: 90) Aspekte, sondern auch den „Geist des Gesetzes“ (ebd.). Grundsätzlich empfehlenswert ist zu Beginn der Ausbildung sicherlich eine gewisse Fehlertoleranz gegenüber LiVD in schulrechtlichen Fragen. Ihnen sollte aber seitens der Schulleitung möglichst früh bewusst gemacht werden, dass rechtliche Aspekte für die Arbeit in Schule von hoher Bedeutung sind.

Daneben sollten Auszubildende zu Beginn ihrer Ausbildung insbesondere mit dem Schulgebäude und seinen Besonderheiten, der Schulordnung, wesentlichen Fach- und Gesamtkonferenzbeschlüssen, personellen Zuständigkeiten, der (digitalen) Infrastruktur sowie wichtigen Organisationsabläufen vertraut gemacht werden. Diese Aufgabe haben viele Schulleiterinnen und Schulleiter vor dem Hintergrund knapper eigener zeitlicher Ressourcen sinnvollerweise delegiert, z. T. an schulinterne Ausbildungsbeauftragte, die auch weitere Aufgaben hinsichtlich der Begleitung von LiVD übernehmen können. Ausbildungsbeauftragte finden in den Durchführungsbestimmungen zu §7 der für das Referendariat maßgeblichen Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) im Übrigen explizit Erwähnung: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter oder eine von ihr oder ihm beauftragte Lehrkraft [eigene Hervorh.] macht die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst mit der jeweiligen Schule vertraut“. Die Institutionalisierung von Ausbildungsbeauftragten bringt neben der Möglichkeit zeitlicher Entlastungen weitere Vorteile mit sich: Die Hemmschwelle für LiVD, sich bei (vermeintlich) banalen Fragen an Ausbildungsbeauftragte zu wenden, ist sicherlich geringer, als wenn sie solche Fragen an Schulleitungsmitglieder richten – zumal Schulleiterinnen und Schulleiter sie im Laufe der Ausbildung zweimal benoten (siehe unten). Ausbildungsbeauftrage können ferner (z. B. innerhalb einer hierfür einberufenen Arbeitsgruppe) ein Konzept und ein Starterpaket für die Ankunft neuer LiVD (und im Übrigen auch neuer Kolleginnen und Kollegen) erarbeiten. Dies sichert Kontinuität, erzeugt klare Zuständigkeiten und ist für Neuankömmlinge eine wichtige Orientierungshilfe. Auch ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Studienseminar und den Ausbildungsschulen möglicherweise (noch) besser möglich, wenn Ausbildungsbeauftragte mit im Vergleich zu Schulleiterinnen und Schulleitern größeren zeitlichen Ressourcen, z. B. in Konfliktfällen, als (erste) Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner für Seminarleitung und Ausbilderschaft fungieren. Im Idealfall können Ausbildungsbeauftragte der verschiedenen Ausbildungsschulen in regelmäßigen Abständen zu (Dienst-)Besprechungen bzw. zum Zwecke des Erfahrungsaustauschs ins Studienseminar kommen und so einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung und -entwicklung des Vorbereitungsdienstes leisten.

2. Ausbildung bis zur Staatsprüfung

Grundsätzlich ist es Aufgabe der Schulleiterinnen und Schulleiter, „die Kompetenzen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entsprechend […] der individuellen Professionalisierung zu fördern und zu erweitern“ (MK 2022: 8). In der APVO-Lehr ist diesbezüglich zu lesen: „Die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst sind an der Ausbildungsschule in die schulpraktische Arbeit, auch im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit der Schule, einzuführen. Hierfür trägt die Schulleiterin oder der Schulleiter die Verantwortung“ (§8 APVO-Lehr). In den dazugehörigen Durchführungsbestimmungen der APVO-Lehr wird konkretisiert: „[Es ist] insbesondere Aufgabe der Ausbildungsschule, die Kenntnisse hinsichtlich des Schulprogramms, der Schulordnung, des Ganztags, der Berufsorientierung, des pädagogischen Konzepts, des Schullebens, der Elternarbeit, der Grundsätze der Leistungsbewertung und der Notengebung [eigene Hervorh.] zu vermitteln“. Schulleiterinnen und Schulleitern obliegt, auf welchem Wege sie die hier genannten Vorgaben erfüllen. Durch die Beteiligung an Dienstbesprechungen, Klassen-, Zeugnis- und Gesamtkonferenzen sowie Schulfahrten bekommen LiVD bereits wichtige Einblicke in die o. g. Aspekte. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, sich zu vergegenwärtigen, dass LiVD i. d. R. kaum Vorerfahrungen mit Themen wie Schulordnung, Ganztag oder Elternarbeit haben. Um sie in entsprechenden Situationen gedanklich mitzunehmen, lohnt es sich, darüber nachzudenken, welche zusätzlichen Hinweise und Erläuterungen LiVD benötigen könnten, um das Geschehen nachzuvollziehen zu können und im Idealfall einen persönlichen Lerneffekt zu haben. Hospitationen und/oder Möglichkeiten zur Mitarbeit, z. B. bei der Vorbesprechung und Durchführung von Klassen- bzw. Zeugniskonferenzen, bei Treffen von Arbeits- oder Steuergruppen, bei Elternabenden oder bei der Organisation des Tages der offenen Tür, können hilfreich sein, um Auszubildenden Einblicke in solche für sie noch fremde Bereiche zu gewähren. Auch hierbei können Ausbildungsbeauftragte Schulleiterinnen und Schulleiter insbesondere mit Blick auf die Koordination und Terminweitergabe und ggf. hinsichtlich der Erteilung von Beobachtungsaufträgen für hospitierende LiVD Schulleitungen zeitlich entlasten.

Bewährt haben sich in regelmäßigen Abständen stattfindende Sitzungen mit den LiVD an den Ausbildungsschulen, die neben unterrichtspraktischen bzw. pädagogischen Aspekten oftmals den Bereich Schulrecht (siehe oben) besonders in den Blick nehmen. Schulrechtliche Aspekte sind zwar Gegenstand pädagogischer Sitzungen im Studienseminar. Die o. g. Erfahrungswerte, insbesondere von Mitgliedern der Schulleitung, können aber für die Professionalisierung von LiVD überaus wertvoll sein. Solche Sitzungen in den Ausbildungsschulen und ein dazugehöriges Konzept können inhaltlich an den oben genannten APVO-Vorgaben orientiert sein und von unterschiedlichen Personen (z. B. Schulleiterinnen und Schulleiter bzw. (erweiterte) Schulleitung, Ausbildungsbeauftragte, Koordinatorin oder Koordinator der Berufsorientierung) durchgeführt werden.

Ferner nehmen Schulleiterinnen und Schulleiter – im Verhinderungsfall oft auch andere Schulleitungsmitglieder – im Verlauf der Ausbildung an Unterrichtsbesuchen bzw. Gemeinsamen Unterrichtsbesuchen („GUBs“) teil. Sie bekommen dadurch einen Eindruck von den fachlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Kompetenzen sowie Entwicklungsschwerpunkten der LiVD an ihren Ausbildungsschulen. Die Teilnahme von Schulleiterinnen und Schulleitern an Unterrichtsbesuchen wird von LiVD oft als Zeichen der Wertschätzung angesehen und verleiht diesen Veranstaltungen einen für alle Beteiligten offizielleren Charakter. Gleichwohl stellen auch in diesem Zusammenhang begrenzte zeitliche Ressourcen mitunter ein Hindernis dar.

Zum Ende der Ausbildung benoten Schulleiterinnen und Schulleiter nach §10 APVO-Lehr die an ihrer Schule unterrichtenden LiVD. Hierzu finden sich in den dazugehörigen Durchführungsbestimmungen der APVO-Lehr genaue Hinweise. Sie machen deutlich, dass eine enge Begleitung und genaue Beobachtung von LiVD durch Schulleiterinnen und Schulleiter insbesondere in fachunspezifischen bzw. weniger unterrichtspraktischen Bereichen erwartet wird und dass im Bereich der Notenfindung der Einbezug weiterer Schulleitungsmitglieder möglich ist: „Die Note der Schulleiterin oder des Schulleiters bezieht sich nur auf Aussagen zur schulischen Arbeit der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst, insbesondere auf die Mitarbeit in Konferenzen, Umgang mit Schülerinnen und Schülern, Teamfähigkeit, Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten und ggf. auf außerunterrichtliche Aktivitäten und Engagement in Schulprojekten im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit der Schule [eigene Hervorh.]. Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann bei der Notenfindung die ständige Vertreterin oder den ständigen Vertreter sowie Studiendirektorinnen und Studiendirektoren, die mit der Koordinierung schulfachlicher Aufgaben beauftragt wurden [eigene Hervorh.], einbeziehen.“

3. Staatsprüfung

Sobald die zuständige Prüfungsbehörde den Termin der Staatsprüfung in Absprache mit dem Studienseminar – das idealerweise auch eine diesbezügliche Kommunikation mit den Ausbildungsschulen pflegt – festsetzt, stehen LiVD unter besonderer Anspannung. Sie sind sehr dankbar dafür, wenn sie in organisatorischen Fragen (z. B. Unterrichtsräume, Räume für Reflexion und Nachbesprechung des Prüfungsunterrichts sowie für die mündliche Prüfung) entlastet werden. Diese Aufgabe kann ebenfalls von Ausbildungsbeauftragten, anderen Kolleginnen und Kollegen oder von an der jeweiligen Ausbildungsschule tätigen LiVD übernommen werden, was im Idealfall routinemäßig oder im Rahmen eines oben angesprochenen Konzeptes erfolgt. Die Beteiligung der Schulleiterin oder des Schulleiters an der Staatsprüfung als Teil des Prüfungsausschusses ist rechtlich vorgeschrieben (§12 APVO-Lehr). Nur im „Verhinderungsfall kann sich die Schulleiterin oder der Schulleiter von der ständigen Vertreterin oder dem ständigen Vertreter vertreten lassen“. In Einzelfällen kann die Schulleiterin oder der Schulleiter auch Vorsitzende oder Vorsitzender des Prüfungsausschusses sein – dies aber laut Durchführungsbestimmungen der APVO-Lehr nur „mit deren oder dessen Einverständnis“.

Im Zuge der Notenfindung zum Prüfungsunterricht schlägt die oder der zuständige Ausbildende des jeweiligen Faches dem Prüfungsausschuss eine Note vor. Schulleiterinnen und Schulleiter geben, ebenso wie alle anderen Mitglieder des Prüfungsausschusses, ebenfalls eine Note auf den Prüfungsunterricht und benoten auch die mündliche Prüfung.

Nach erfolgreichem Abschluss der Staatsprüfung unterrichten LiVD mitunter noch einige Tage oder Wochen an ihren Ausbildungsschulen, bis das Referendariat offiziell beendet ist und/oder sie ihre erste Stelle antreten. Bleiben LiVD nach dem Referendariat an der Ausbildungsschule, ist es hilfreich, wenn Schulleiterinnen und Schulleiter sie – und ggf. auch die Kolleginnen und Kollegen an der eigenen Schule – auf den damit einhergehenden Rollenwechsel aufmerksam machen und ihnen als Berufsanfängerin oder Berufsanfänger auch weiterhin im hier skizzierten Sinne wertschätzend und beratend zur Seite stehen.

Fazit

Im Zuge der Ausbildung von LiVD spielen Schulleiterinnen und Schulleiter eine überaus wichtige Rolle. Eine gelingende Begleitung durch Schulleiterinnen und Schulleitern kann die Professionalisierung von LiVD positiv bestärken. Der Einbezug von Ausbildungsbeauftragten und/oder weiteren Kolleginnen und Kollegen in die Ausbildung der LiVD an der eigenen Schule kann in vielerlei Hinsicht eine Entlastung von Schulleiterinnen und Schulleitern ermöglichen. Ausbildungsbeauftragte können für alle beteiligten Akteure gewinnbringende Scharnierfunktionen erfüllen und eine effiziente Begleitung von LiVD fördern.

Bewährt haben sich schuleigene Konzepte, die z. B. Regelungen und Absprachen zu folgenden Angelegenheiten beinhalten können:

  • Ausbildungsverständnis der Schule (z. B. Prinzipien und Grundsätze einer wertschätzenden, klar strukturierten und effizient sowie verlässlich organisierten Professionalisierung an der jeweiligen Schule);
  • Rollen und Zuständigkeiten der Schulleiterin und des Schulleiters, der weiteren Schulleitungsmitglieder, der Ausbildungslehrerinnen und Ausbildungslehrer sowie ggf. der oder des Ausbildungsbeauftragten bei der Begleitung von LiVD;
  • Kooperation mit dem Studienseminar (z. B. Rückmeldekultur, regelmäßiger Austausch);
  • Ankommen der LiVD an der neuen Schule (z. B. Begrüßung der neuen LiVD, Führung durch die Schule und Bekanntmachung mit der (digitalen) Infrastruktur, Bewusstmachung wesentlicher schulrechtlicher Aspekte, ggf. unterstützt durch ein Starterpaket);
  • Ausbildung bis zur Staatsprüfung (z. B. Absprachen zur Organisation und zum Ablauf von Ausbildungsunterricht, zur Teilnahme an (Dienst-)Besprechungen und weiteren schulinternen Veranstaltungen sowie Schulfahrten, ggf. regelmäßige Sitzungen mit den LiVD zu einzelnen inhaltlichen Aspekten);
  • Staatsprüfung (v. a. Absprachen zur Organisation des Prüfungstages mit dem Ziel einer Entlastung der LiVD);
  • Evaluation und Qualitätssicherung der Ausbildung von LiVD (z. B. im Rahmen von institutionalisierten Gesprächen mit den LiVD und/oder dem Studienseminar).

Literatur:

Baumann, Johannes; Götz, Thomas (2016): Schulleitung – Der Praxisleitfaden. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.

Hoegg, Günther (2019): SchulRecht! Leicht verständlich. Philologenverband.

Niedersächsisches Kultusministerium (2021): Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) mit den dazugehörigen Durchführungsbestimmungen.

Niedersächsisches Kultusministerium (2022): Erlass „Berufsbild Schulleitung“.

Schröder, Florian (2020): Handbuch Schulrecht Niedersachsen. Köln: Wolters Kluwer.

05/2022

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

Überprüfung des Ursprungsgedankens

Im Frühjahr 2019 begannen wir mit der Planung unseres Teilhabeprojektes zum kulturellen Lernen mit der Paul-Klee-Schule, Förderschule GE in Celle. Ursprung unseres Projektes war die Wahrnehmung, dass den sich verändernden gesellschaftlichen Bedürfnissen seitens der (gymnasialen) Schulausrichtung mit ihren strengen curricularen Vorgaben und einem großen Bildungsdruck nicht Rechnung getragen wird und wir Wege finden müssen – ohne Qualitätsverlust und ohne Reduktion unserer Ansprüche auf zu vermittelnde humanistische Allgemeinbildung – diesem gesellschaftlichen Wandel in Schule Rechnung zu tragen (Vgl. dazu SV 11/19).

Eine weitere Frage, die uns beschäftigte, war die nach der Gestaltung von Inklusion an unserer Schule. Als Gymnasium der Region Hannover fühlten wir uns in vielen wichtigen Fragestellungen alleingelassen: Ein RZI für die Region Hannover gab und gibt es nicht; für unterschiedliche Bereiche der Inklusion stehen nur wenige, völlig überlastete Ansprechpartner zur Verfügung und Hochbegabung ist noch immer nicht politisch als Teilbereich der Inklusion kommuniziert. Die Erkenntnis, dass die heute eigenverantwortliche Schule multiprofessionelle Teams in ganz unterschiedlichen Bereichen selbsttätig auf die Beine stellen muss, hat uns zusätzlich mit unserer Kooperationsschule in Celle verbunden.

Während sich die Paul Klee Schule erhofft hatte, mit ihrem gesellschaftlich-sozialen und wichtigen politischen Auftrag, Schüler:innen auf dem Weg zu begleiten, mündige Mitglieder der Gesellschaft zu werden und Teilhabe in der Gesellschaft zu erfahren, suchten wir nach neuen pädagogischen Ansätzen für unsere Schülerklientel, sich als selbstwirksame politische Subjekte der Gesellschaft wahrzunehmen, die Gesellschaft verantwortungsvoll mitzugestalten und einen offenen Blick auf die Handlungsfelder zu erhalten, die unsere Welt ausmacht. Den Blick über den wohlbehüteten Tellerrand der provinzialischen Welt wollten wir bieten. Er ermöglicht es, die Welt bunter, komplexer, reizvoller wahrzunehmen und festzustellen, dass es viele Bereiche gibt, in die es sich lohnt, sich persönlich einzubringen, aktiv zu werden, Verantwortung zu übernehmen. Jörg Zifas formuliert es so: „Erst in der Auseinandersetzung mit dem A/anderen in den unterschiedlichen Facetten vollzieht sich Bildung.“ 1

Was das anbelangt, können wir festhalten, dass unser Ansatz abschließend erfolgreich war und richtungsweisend ist. Davon zeugt auch unser Dokumentarfilm (vgl. www.kulturelleslernenverbindet.de).

Natürlich gab es auch verhaltene kritische Stimmen, Berührungsängste (mit dem Fremden!), verhaltenes Abwarten, Vorurteile.

Nach über zwei Jahren Kooperation mit der Paul-Klee-Schule können wir festhalten, dass die erhofften Ergebnisse weit übertroffen wurden und spannende Synergien und Potentiale aufgedeckt hat. Wir bedauern, dass wir einige wichtige Vorhaben, wie z.B. eine gemeinsame Studienfahrt nach Bern wegen der Coronapandemie nicht haben umsetzen können. Wir freuen uns aber, dass wir mit neuen Ideen und kreativen Ansätzen Wege gefunden haben, das Projekt trotz erschwerter Bedingungen erfolgreich fortzuführen.

Nach fast drei dreijähriger intensiver Arbeit kommen wir zu einem Fazit, das für uns vor drei Jahren sicher nicht absehbar war und uns selbst erstaunt und für die weitere Arbeit beflügelt: Wir halten zunächst fest, dass unsere Arbeit wichtig ist und zwar bildungspolitisch, gesellschaftspolitisch, wirtschaftspolitisch. Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass (Kulturelle) Bildung für nachhaltige Entwicklung (KBNE) eine gesellschaftspolitische Querschnittsaufgabe für Bildung, Kultur und Wirtschaft zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und zur Stärkung der Demokratie ist.

Kulturelles Lernen, so unser Resümee, lebt von Begegnung und erfahrendem Lernen.2 Tatsächlich aber erfordert kulturelles Lernen Offenheit, „den eigene Raum immer wieder in Frage zu stellen und neu zu definieren“ 3 und kulturelle außerschulische Lernorte bewusst als „Ermöglichungs- und Erfahrungsraum in die Ausgestaltung von Unterrichts- und Projektvorhaben“ 4 einzubeziehen.

Herausforderung von KBNE für die Schulleitung

Die Herausforderung für Schulleitungen, KBNE in Schule zu implementieren, besteht darin, Offenheit diesem Thema und den transformatorischen Aufgaben unserer Gesellschaft gegenüber im Kollegium zu schaffen, sowie für Vorbereitungen und Entlastungen zu sorgen, um den Lehrkörper mitzunehmen. Zu viele Vorgaben durch das Ministerium sorgen für Informationsüberflutung, Skepsis, Überfrachtung und Resignation. Die Coronapandemie bürdet uns viel auf und droht unsere pädagogischen Konzepte zu überzeichnen.

Eine weitere Hürde gilt es zu nehmen: (Kulturelle) Bildung für nachhaltige Entwicklung hat so vielfältige Möglichkeiten der Ausgestaltungen und Gewichtung (vgl. sustainable development Goals der UNESCO)5 , dass es mitunter schwer fällt zu vermitteln, dass es sich nicht um ein eindeutig eingrenzbares Aufgabenfeld handelt, sondern um eine Querschnittsaufgabe, die Schulöffnungen, Kooperationen, Projektarbeit einfordert und multidisziplinär gedacht und interdisziplinär ausgeübt werden muss.

Zudem sind viele Pädagogen der Meinung, sie setzten die Themen der KBNE schon längst um und es sei wahrhaftig nichts Neues.

Das mag sicher so auch z.T. zutreffend sein. Der bedeutende Unterschied aber liegt in dem bewußt gelebten und vorgelebten Konglomerat von folgenden Faktoren, die auf der Metaebene ständig betrachtet, reflektiert und sach- wie fachbezogen sinnvoll vernetzt und eingebunden werden muss:

  • Möglichkeitsvorstellungen der Potenzialentwicklung in der ästhetischen Bildung der eigenen Schule ausloten.
  • Demokratisierungsprozesse in der Schule: Schüler:innen entfalten ihre Fähigkeiten, so gestalten und prägen sie die Schulkultur mit.
  • Interprofessionelle Zusammenarbeit mit Akteuren der kulturellen Bildung und BNE sowie kulturellen Institutionen entfalten sich: neue Impulse sorgen für Professionalisierung in Fachlichkeit; Perspektivenwechsel und offene, auf synergetisches Miteinander bedachte Kooperationen zwischen den Fachschaften und zwischen Schule und außerschulischen Partnern leiten die Horizonterweiterung ein: kulturelle Bildung ist als besondere Lerndimension für Schüler:innen zu verstehen.
  • Bildung wird erfahrbar gemacht: so öffnet sie Horizonte, weist Möglichkeiten auf und spendet intrinsische wie extrinsische Motivation.
  • Kulturelle Bildung kann Menschen ein Ausdrucksmittel an die Hand geben, sie als Person sichtbar machen und ihnen das Gefühl geben, Teilhabe zu leben und selbstwirksam zu sein.
  • Begegnungsebenen werden genutzt; selbstgesteuerte Bildungsprozesse ermöglicht und unterstützt: „Möglichkeitsräume“ für Lernprozesse werden zur Verfügung gestellt. Es gilt die richtige Balance zwischen Anleitung und Freiheit zu finden – eine große Herausforderung für die Lehrenden in der Ausgestaltung der gemeinsamen Arbeit.
  • Als Kompetenzen werden bewusst gefördert und vernetzt: ästhetische Entdeckungs-, Forschungs- und Gestaltungsprozesse.
  • Das Bildungsziel von BNE und Kulturellem Lernen ist Kreativität!6 Es gilt, an die Erfahrungen und Interessen der Kinder und Jugendlichen anzuknüpfen, Phantasie und Kreativität in den Mittelpunkt zu stellen, Perspektivwechsel und Multiperspektivität zu fördern und zu fordern und die kritische Auseinandersetzung mit allem Gesetzten anzuleiten.

Nur durch eine sachlich-kritische Distanz zu den Themen unserer Gegenwart, gepaart mit innovativer Kreativität, werden sich die Herausforderungen unserer Gegenwart und Zukunft lösen lassen; dieser herrschenden Meinung des Fachdiskurses Kulturelle Bildung schließen wir uns an.

Gesellschaftspolitische Dimension des kulturellen Lernens 

Spannend an unserem Projekt mit der Paul-Klee-Schule war, dass die offenkundigen Beweggründe unserer Kooperation bald weniger für uns im Fokus unseres Zusammenwirkens standen. Teilhabe, Persönlichkeitsentwicklung, Demokratieförderung und gesellschaftliche Verantwortung bestimmten unser gemeinsames Streben nach Möglichkeiten, Handlungs- und Begegnungsräume zu schaffen und bestehende Denkmuster der Gesellschaft zu überprüfen.

Kulturelles Lernen, da schließen wir uns der Meinung einzelner Experten7 an, fördert das kritische Denken. Eng verbunden hiermit ist der emanzipatorische Charakter der Künste und der Kulturellen Bildung im nationalen Kontext.8 Auch innerhalb des Fachdiskurses zur nachhaltigen Entwicklung wird das Potenzial der Künste und der Kulturellen Bildung (als weitgefasster und die Wissenschaften einbezogener Begriff) als „Aufbrechen von Denkmustern“ 9 und vernetztem, komplexen Denken gedeutet.

Die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, die Stärkung der eigenen Identität gilt es mittels künstlerischer und kultureller Expressionen auszudrücken und gegenüber Dritten zu kommunizieren (Ausstellungen und Präsentationen, Wettbewerbe, Streams, etc.). Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung, kritische Selbstreflexion und ein offener Dialog im Kontext unseres Wertekanons stärkt das Individuum als Mitglied der Gesellschaft und trägt zur gesellschaftlichen Verortung bei. Das ist besonders wichtig in Zeiten, in denen das Bedürfnis nach mehr Sicherheit und Wertschätzung aus dem familiären Kontext an Bildungseinrichtungen und Arbeitgeber schleichend und stillschweigend zunehmend abgegeben wird.

Die Fragmentierung unserer Gesellschaft hat sicherlich verschiedene Ursachen: Technisierung und Digitalisierung werden zumeist an oberster Stelle genannt; Ökonomisierung, Globalisierung, das Prinzip des Individualismus und der Liberalisierung, Migration und Interkulturalisierung sowie populistische und antidemokratische Strömungen sind dabei gewiss ebenso ursächlich (zugleich sind letztere aber auch Folgeerscheinungen der Vereinzelungstendenz).

Kulturelle Bildung kann, da schließen wir uns der Meinung von Prof. Dr. Susanne Keuchel an, als kreativer Freiraum dienen, da mehrdimensionale Perspektiven die Voraussetzung darstellen. „Dies eröffnet die Chance, neue Lösungswege und kulturelle Narrative für eine ‚neue Gesellschaftsordnung‘ zu entwickeln“ 10 , Transformationsprozesse anzustoßen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt neu auszuhandeln. BNE als transformatives Lernen ist somit soziales, kommunikatives Handeln, emanzipatorisches Lernen, welches informell in realweltlichen Situationen stattfindet. Durch Begegnungen und erfahrendem Lernen im Sinne von kommunikativ gestützter Suche nach Bewältigungsstrategien11 wird die individuelle Persönlichkeitsentwicklung aller Beteiligten gefördert und gestärkt. Es ist ein Entwicklungs- und Transformationsprozess für alle, die sich darauf einlassen – Lehrende sowie Lernende, Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer… im Sinne des lebenslangen Lernens.

Ausrichtung des Projektes im Sinne der UNESCO

Transformatorische, nachhaltige Prozesse im Sinne der UNESCO umzusetzen und beispielhaft voranzugehen, wurde uns im Verlaufe unseres Projektes aus oben genannten Einblicken zunehmend wichtiger. Für uns hat sich durch unsere Arbeit zu diesem Thema immer mehr herauskristallisiert, dass Demokratiebildung, Kulturelle Bildung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung nicht drei für sich stehende Themen sind, so wie es die Landespolitik Niedersachsen vorsieht (BNE; Schule:Kultur, Demokratiebildung). Vielmehr sehen wir die sich uns im gesellschaftlichen Kontext bietenden Schnittstellen und die sich daraus ergebenden Chancen. Diesen Ansatz vertritt offenkundig auch die UNESCO (vgl. 17 Sustainable Goals). Sie regt mit ihrem Siegel für nachhaltige Kommunen zudem genau das an: die großen Themen unsere Zeit kontrovers im offenen Dialog zu benennen und in interdisziplinären Lösungsansätzen die Transformationsprozesse wie Globalisierung, Umweltschutz, Migration und Teilhabe, Digitalisierung u.a. gemeinsam lokal anzugehen.12

 Abb: A conceptual dilemma model of sustainable education in school

Im Bewusstsein der Menschen muss wachsen, dass jeder Einzelne im Wirklichkeitsraum seinen Möglichkeitsraum entdecken kann und so wirksam und selbstwirksam sein kann. Dies ist die Basis, davon sind wir überzeugt, für das Gelingen transformatorischer Prozesse, die auf ein Kollektiv ausgerichtet sind. Im Einzelnen muss die Haltung verwurzelt sein.

Unsere Projektausrichtung erfuhr eine hohe positive Resonanz in der Kommune sowie der Region. Die Öffnung der Schulen für zahlreiche Kooperationspartner aus Wirtschaft, Politik, Sport und (interkultureller) Bildung im Zusammenhang mit unserem Projekt hat uns verdeutlicht, wie kulturelles Lernen und nachhaltige Bildungsprojekte gelingen können, wenn wir multidisziplinär zusammenarbeiten und es wagen, ergebnisoffen Prozesse zu denken, um Zukunft zu gestalten.

Überraschend für uns war die Aufmerksamkeit, die unser Projekt in der Wirtschaft erfahren hat. Unternehmen und Coaches bestärkten uns im Hinblick auf die Berufsfähigkeit in unserer Projektausrichtung und wurden zu bedeutenden Unterstützern. Wichtige Transfereffekte wie Intelligenz (definiert durch Softskills und vernetztes multiperspektivisches Denken, umsichtiges Handeln), soziales Verhalten (aufmerksames Zuhören, Wahrnehmen anderer, offenes Verhandeln, …), Kreativität (Krisenmanagement, innovatives, verknüpftes, interdisziplinäres Denken, u.a.) sehen Betriebe und Unternehmen als wichtige wirtschaftliche „Verwertbarkeit“ der Kulturellen Bildung13.

BNE ist, so Joachim Borner (vgl. Fn.11), ein Leben-Lernen in Veränderungsprozessen, ein Lesen-Lernen der Veränderungen, ein Gestalten-Lernen dieser Veränderungen. Man kann sagen, dass in unserem Projekt diese Lernprozesse für uns wesentlich waren und uns mit einem Erfahrungsschatz bereichert haben und transformatorische Prozesse unserer Arbeit bestimmt haben.

Aus dem Projekt im rein schulischen Kontext ist der eingetragene „Förderverein zum Kulturellen Lernen“ hervorgegangen, der als BNE-Akteur der UNESCO anerkannt ist.

„Wortreich – ein Projekt gegen Wortverarmung für kulturelle Teilhabe“ ist bereits in einigen Grundschulen angelaufen; Kulturprojekte im Bereich Sport sind in konkreter Planung; Vorträge und Kulturreisen werden in 2022 und 2023 angeboten; die Beratung und Begleitung von Schulen zum Kulturellen Lernen sind angelaufen; in Kooperation mit der Bundesakademie Kulturelle Bildung, Wolfenbüttel, und der Universität Hildesheim sind eine niedersächsische Landestagung zum Thema Kulturelles Lernen sowie Lehrveranstaltungen an der Universität Hildesheim geplant. Eine wissenschaftliche Begleitung unserer Arbeit sowie eine externe Evaluation sind angedacht.

Auf unserer Internetseite (www.kulturelleslernenverbindet.de) werden wir sukzessiv über die einzelnen Projekte berichten.

Wir wollen Schulleitungen Mut machen, KBNE als ein auf unsere Zeit angepasstes ganzheitliches pädagogisches Instrument der Schulentwicklung zu verstehen, welches vielfältige Möglichkeiten bietet, den gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Wandlungsprozessen unserer Zeit (Vereinzelung, antidemokratische Bewegungen …) – verstärkt durch die Pandemie – entgegenzuwirken und dabei gleichzeitig notwenige Transformationsprozesse unserer Zeit anzustoßen, zu begleiten und zu gestalten.

1 Jörg Zirfas, Die Nachhaltigkeit der Bildung, in: Über die Kunst, den Wandel zu gestalten, S. 33, Karola Braun-Wanke, Ernst Wagner (Hrsg.).

2 vgl. Max Fuchs, Kultur und Subjekt, Bildungsprozesse zwischen Emanzipation und Anpassung; Vg. S. 129ff.; Lernen als Weltaneignung; München 2012.

s. Kammler, Lohmann, Kulturelle Bildung an Schulen, Carl Link 2018, S. 145f.

4 vgl. ebenda, S. 147.

https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/bildung-und-die-sdgs; 04.02.2022; vgl. auch Bildungsmaterialien und Unterrichtsanregungen für die 17 Sustainable Goals der UNESCO; ebenda. Die Vielfalt der Anknüpfungspunkte bietet zugleich die spannende Möglichkeit, Ideen und kreativen Ansätzen aus Schülerschaft und Kollegium Raum zu geben und aktive Mitgestaltung des Schulentwicklungsprozesses willkommen zu heilen (Demokratisierung von Schulentwicklung).

6 vgl. Bildungsziel Kreativität, Kulturelles Lernen zwischen Kunst und Wissenschaft; hrsg. Von Ina Bielenberg: „Die Aufgabe der Bildungsarbeit besteht […] darin, Wissenschaft eine Form zu geben, die sie für junge Menschen wahrnehmbar und erlebbar macht, d.h., wissenschaftliche Erkenntnisse so darzustellen, dass ihre Verknüpfung mit der jugendlichen Lebenswelt erkenn bar wird. Die Angebote der kulturellen Bildung sind dafür aufgrund des engen Zusammenhangs von Kunst und Wissenschaft hervorragend geeignet. “ VG. Abend S. 11.

7 vgl. Susanne Keuchel, vgl. Fn. 8; Dagmar Richter, Politische Bildung durch ästhetische Bildung? In: bpb: Dossier Kulturelle Bildung, 2020; Eva Leipprand, Kultur, Bildung und Nachhaltige Entwicklung; In: Wissensplattform Kulturelle Bildung Online, 2019; Britta Schellenberg, Rechtspopulismus im europäischen Vergleich Kernelemente und Unterschiede. In: bpb: Dossier Rechtspopulismus, 2018; u.a.

8 vgl. Susanne Keuchel, Gesellschaftspolitische Dimension Kultureller Bildung – Im Spannungsfeld emanzipatorischer und gestalterischer Prozesse, in: Perspektivwechsel Kulturelle Bildung: Fachdiskurs, Fortbildung, Forschung; Band 3, Bielefeld 2022; S. 22.

9 siehe dazu auch Leipprand 2013/2012:0.S.

10 vgl. Susanne Keuchel, ebenda, S. 30–33.

11 Joachim Borner, Fragen zu Narrativen, die die Vorstellungen von Nachhaltiger Entwicklung prägen; in: Über die Kunst, den Wandel zu gestalten, hrsg.: Karola Braun-Wamke, Ernst Wagner, Münster 2020, S. 25ff.

12 International Journal of Development and Sustainability Vol. 7 No. 9 (2018): S. 2242-2255; ISDS www.isdsnet.com; S. 2250; nachstehendes Modell siehe ebenda.

13 vgl. dazu auch: Roger Fischer, William Ury, Bruce Patton; Das Harvard Konzept, 5. Auflage, München 2021.

12/2021

Stefan Lahme

›› Fachleiter Politik-Wirtschaft am Studienseminar Celle für das Lehramt an Gymnasien

„Demokratiebildung – das ist doch ganz klar eine Aufgabe des Faches Politik-Wirtschaft. Eine Förderung interkultureller Kompetenzen erfolgt vor allem im Fremdsprachenunterricht. Wir müssen aufhören, uns immer mehr aufzubürden und uns – gerade am Gymnasium – wieder stärker auf unseren Fachunterricht konzentrieren!“

„Demokratiebildung und die Förderung interkultureller Kompetenzen sind Aufgaben der gesamten Schule und Schulöffentlichkeit – alle Beteiligten sollten sich dafür zuständig fühlen. Wer immer nur auf sich und sein eigenes Fach schaut und die Potenziale fächerübergreifenden Arbeitens sowie der Etablierung einer lebendigen und gelebten Schulkultur verkennt oder ignoriert, hat im Gymnasium des 21. Jahrhunderts nichts mehr verloren!“

Diese fiktiven, sicherlich überspitzten, aber im Kern durchaus denkbaren Aussagen illustrieren die mit dem Thema „Demokratiebildung und interkulturelle Bildung am Gymnasium“ einhergehende Konfliktsituation.

Demokratiebildung ist das übergeordnete Ziel des Faches Politik-Wirtschaft. Laut Kerncurriculum sind „die Lernenden dazu zu befähigen, sich in der demokratischen Gesellschaft in öffentlichen Angelegenheiten […] verantwortungsbewusst einzubringen“ (Nds. Kultusministerium 2018: 5). „Der entscheidungs- und interventionsfähige Bürger“ (ebd.) wird als „unerlässliche Zielperspektive schulischer Bildung für die Weiterentwicklung der demokratischen Kultur [sowie] des demokratischen politischen Systems“ (ebd.) angesehen. Im Fachunterricht wird dies durch eine exemplarische und kontroverse Auseinandersetzung mit aktuellen Problemstellungen aus Bereichen wie „Politische Entscheidungsprozesse im Nahbereich“ (Jahrgang 8), „Politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse auf Bundesebene“ (Jahrgang 9/10) oder „Politische Partizipation zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ (Jahrgang 12) angestrebt. Auch innerhalb (eher) ökonomischer Themenbereiche, wie z. B. „Unternehmen und Arbeitsbeziehungen“ (Jahrgang 9/10) oder „Soziale Marktwirtschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ (Jahrgang 12), werden Inhalte und Problemstellungen behandelt, die Demokratiebildung fördern können – z. B. mit Blick auf Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder die Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Teilhabe. Insofern könnte die erste Äußerung (siehe oben) zunächst durchaus ihre Berechtigung haben. Zudem ist Demokratie als Unterrichtsgegenstand überaus komplex und sollte im Fachunterricht möglichst differenziert betrachtet werden – einer Verwässerung des Demokratiebegriffs im Sinne von „Irgendwie ist doch jede Interaktion zweier Menschen Demokratie“ sollte im Fach Politik-Wirtschaft entgegengewirkt werden. Dies geschieht z. B. durch problemorientierte Herangehensweisen, bei denen Chancen und Grenzen politischer Partizipation erarbeitet und reflektiert werden oder ganz explizit und insbesondere in der Qualifikationsphase durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen politischen Systemen sowie mit Demokratietheorien.

Kritisiert werden sollte die erste Äußerung allerdings unbedingt dahingehend, dass auch und gerade im Fach Politik-Wirtschaft interkulturelle Kompetenzen gefördert werden (siehe hierzu u. a. Bickmann 2003). In Jahrgang 10 beschäftigen sich die Lernenden z. B. mit der Europäischen Union und setzen sich dabei u. a. mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in anderen EU-Mitgliedstaaten sowie mit dem in diesem Zusammenhang äußerst spannenden und relevanten Thema Migration auseinander. In 13/1 findet im Rahmen der Beschäftigung mit dem Thema „Friedenssicherung als nationale und internationale Herausforderung“ oftmals eine Sensibilisierung für die Perspektive der Zivilbevölkerung in Konfliktregionen statt. Noch viel wichtiger: Guter Fachunterricht Politik-Wirtschaft lebt grundsätzlich vom fachdidaktischen Prinzip der Mehrperspektivität bzw. von Lehr-Lern-Arrangements, die Perspektivenübernahmen initiieren, was mit Blick auf die Ziele interkultureller Kompetenzförderung, wie z. B. Abbau von Vorurteilen, Erweiterung emotionaler Kompetenz und – nach Auffassung des Autors dieses Artikels besonders relevant – Förderung von Ambiguitätstoleranz von immenser Bedeutung sein kann: „Gerade im Politikunterricht, wo es darum geht, einen eigenen Standpunkt zu gewinnen und so zu einem kritischen mündigen Bürger zu werden (§2 Nds. Schulgesetz), bedarf es der Förderung von Verständnis für andere, der Fähigkeit, auch den Standpunkt des anderen einnehmen zu können und sich frei zu machen vom reinen Ich-Bezug“ (Bickmann 2003). Diese Aspekte interkultureller Kompetenz spielen für die oben angesprochene politische Mündigkeit von Bürgerinnen und Bürger eine herausragende Rolle. Als These kann also formuliert werden, dass Demokratiebildung im Fach Politik-Wirtschaft ohne eine gleichzeitige Förderung interkultureller Kompetenzen schwer vorstellbar ist. Um ein wenig mehr Fleisch an die Knochen zu bringen und die Verquickung dieser beiden Bereiche zu veranschaulichen: In einer Unterrichtseinheit für den 10. Jahrgang habe ich die EU-Urheberrechtsrechtsreform und den mit der entsprechenden Richtlinie einhergehenden Einsatz von Uploadfiltern als Beispiel genutzt, um politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene sowie auf nationaler Ebene für Schülerinnen und Schüler erfahrbar zu machen, Chancen und Grenzen von Partizipationsmöglichkeiten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern zu thematisieren und zudem – methodisch eingebettet in ein Planspiel – eine Sensibilisierung für die Sichtweisen und Interessen unterschiedlicher Akteure anzubahnen (Lahme 2020). Ein solches Lehr-Lern-Arrangement kann im Idealfall wichtige Beiträge zur Demokratiebildung und zur Förderung interkultureller Kompetenzen liefern.

Sind andere Fächer also tatsächlich „fein raus“? Mitnichten. Wird Demokratie im Sinne eines weiten Politikbegriffs nicht nur als Herrschaftsform, sondern auch und v. a. als Lebens- und Gesellschaftsform verstanden und bleibt die eng mit Demokratiebildung verwobene Förderung interkultureller Kompetenz nicht auf die unterrichtlich-thematische Auseinandersetzung mit anderen Staaten und Gesellschaften beschränkt, dann können und sollten beide Aspekte als Aufgaben der gesamten Schule und Schulöffentlichkeit angesehen werden. Hierzu schreibt der Politikdidaktiker Gerhard Himmelmann:

„Demokratie wird […] inzwischen nicht mehr (allein und ausschließlich) ,politisch‘ oder etatistisch-institutionell (als Staatsform) interpretiert, sondern bis in die gesellschaftlichen und in die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen hinein zurückverfolgt. Sie wird auf Aktivitäten der gesellschaftlichen Gruppen und auf die Interaktionen in Stadtteilen, Familien, Schulen und Klassenzimmern [eigene Hervorh.] zurückprojiziert. Dabei geht die Interpretation der Demokratie als Lebensform tiefer als der Ansatz der Demokratie als Herrschaftsform und noch tiefer als der Ansatz der Demokratie als Gesellschaftsform. Im Konzept der Demokratie als Lebensform finden sich jene theoretischen Ansatzpunkte, die es z. B. viel leichter machen, […] auch von ‚Demokratie in der Schule‘ oder von einem ‚demokratischen Klassenzimmer‘ zu sprechen“ (Himmelmann 2017: 23).

Im Erlass zur „Stärkung der Demokratiebildung“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2021) wird „Schule als Lebens- und Lernort unserer Demokratie“ beschrieben, der als „demokratischer Erfahrungsraum ausgestaltet“ werden solle. Der Beitrag des Faches Politik-Wirtschaft wird darin besonders hervorgehoben (ebd.: S. 2). Darüber hinaus werden Schulen dazu aufgefordert, „Strukturen [zu schaffen], um allen Schülerinnen und Schülern eine Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben zu ermöglichen und eine sichere und partizipative Lernumgebung zu bieten“ (ebd.). „Demokratiebildung“, so ist weiter unten zu lesen, reiche „weit über Kompetenz- und Wissensvermittlung in einzelnen Fächern hinaus“ und stelle „vielmehr ein wichtiges Kriterium von Unterrichts- und Schulqualität insgesamt [eig. Hervorhebung] dar“ (ebd.: 4). Demokratiebildung wird in diesem Zusammenhang explizit als „Querschnittsaufgabe im Unterricht aller Fächer“ (ebd.: 5) bezeichnet und solle darüber hinaus auch in „außerunterrichtlichen Bereichen“ (ebd.) ihren Platz haben. Die „Entwicklung einer partizipationsorientierten demokratischen Schulkultur“ (ebd.) wird als wesentliches Ziel ausgewiesen.

Eine Umsetzung dieser Vorhaben ist auf unterschiedlichen Ebenen denkbar (vgl. hierzu u. a. Achour 2021: 7ff.): Auf unterrichtlicher Ebene kann z. B. angestrebt werden, Schülerinnen und Schüler aktiv(er) am Lehr-Lern-Prozess zu beteiligen, etwa durch die Auswahl von und Abstimmung über verschiedene zur Wahl gestellter Unterrichtsinhalte und/oder -methoden im Sinne der Neigungsdifferenzierung – selbstverständlich stets unter Beachtung der curricularen Vorgaben des jeweiligen Faches. Methodisch können, und zwar längst nicht nur im Fach Politik-Wirtschaft, Lehr-Lern-Arrangements zur Förderung der Perspektivenübernahme und Argumentationsfähigkeit wie z. B. Rollen- oder Planspiele sowie Debatten und Talkshows den Unterricht bereichern. Erfahrungsgemäß kann die bereits oben erwähnte Ambiguitätstoleranz insbesondere im Rahmen der Reflexion solcher Methoden für Lernende greif- und erfahrbar gemacht werden. Auch eine demokratische Feedbackkultur kann in solchen Zusammenhängen gefördert und etabliert werden. Auf außerunterrichtlicher Ebene kann eine Stärkung der SV- und der Elternarbeit im Sinne „echter“ und „gelebter“ Partizipation erfolgen. Hierzu können (ggfs. digitale) Abstimmungen zu schulinternen Fragen und Vorhaben initiiert werden, deren Ergebnisse auch tatsächlich und möglichst wirksam sowie transparent in schulische Entscheidungsprozesse einfließen sollten. Auch die Teilnahme an Wettbewerben wie „Jugend debattiert“ oder an Aktionen wie der „Juniorwahl“ fördern die oben beschriebenen interkulturellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Mit Blick auf die zugegebenermaßen stets eher vage Ebene der Schulkultur können im Rahmen einer Diagnose Beziehungen, Gesprächsformen und/oder Entscheidungsprozesse aus der Perspektive aller an Schule wesentlich beteiligter Akteure (Schulleitung, Lehrkräfte, Lernende, Erziehungsberechtigte) reflektiert und schwerpunktmäßig hin zu einer (noch) offeneren, toleranteren und demokratischeren Kultur weiterentwickelt werden. Dies sind natürlich nur (sehr!) skizzenhafte Ideen, die einer deutlichen Konkretisierung bedürfen – auch dies kann und sollte möglichst partizipativ geschehen.

Fazit: Die über eine Aufnahme entsprechender Ziele und Absichten ins Schulprogramm hinausgehende, also tatsächliche Förderung von Demokratiebildung und interkultureller Kompetenz unter Einbezug aller Akteure in und um Schule geht mit mühsamen, aber für alle Beteiligten mit Sicherheit lohnenswerten Prozessen einher. Der Fachunterricht Politik-Wirtschaft kann als „Initialzünder [von] Prozesse[n] der Demokratiepflege fungieren“ (Himmelmann 2017: 31) und interkulturelle Kompetenz besonders gut fördern. Dabei sollte aber die Mehrdimensionalität des Demokratiebegriffs (Demokratie als Herrschafts-, Gesellschafts- und Lebensform) im Auge behalten werden, um einerseits eine Verwässerung fachspezifischer Inhalte und Ziele zu vermeiden und andererseits im Sinne eines „Whole-School-Approach-Ansatz[es]“ (Achour 2021: 5) einen möglichst großen Personenkreis davon zu überzeugen, dass Schule viel mehr ist und immer viel mehr sein sollte als „nur“ die Vermittlung von Fachwissen.

Literatur:

Achour, Sabine (2021): Demokratiebildung: Was ist das? In: Wochenschau 06/2021, S. 4–13.

Bickmann, Heike (2003): Förderung interkultureller Kompetenz durch Unterricht, abrufbar unter:
https://www.bpb.de/veranstaltungen/dokumentation/129913/foerderung-interkultureller-kompetenz-durch-unterricht (Zugriff: 20.12.2021)

Himmelmann, Gerhard (2017): Demokratie-Lernen in der Schule. Wochenschau-Verlag.

Lahme, Stefan (2020): EU-Richtlinie zum Urheberrecht – ein Planspiel. Praxis Politik 3-2020, S. 38–47.

Niedersächsisches Kultusministerium (2018): Kerncurriculum für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe: Politik-Wirtschaft.

Niedersächsisches Kultusministerium (2021): Stärkung der Demokratiebildung an öffentlichen allgemein bildenden und berurfsbildenden Schulen sowie Schulen in freier Trägerschaft.

12/2021

Mirjam Ricklefs

›› Fachberaterin für Unterrichtsqualität,
Regionales Landesamt für Schule und Bildung Hannover

Wie kann am Gymnasium Lutherschule eine wirksame Begabungsförderung bei Jugendlichen mit hoher Schreibbegabung gelingen? Und zwar gerade auch bei Jugendlichen, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft, ihres Migrationshintergrundes oder eines Handicaps besonders herausgefordert sind. Was brauchen Jugendliche, damit sie zu kreativen Schreibprozessen angeregt und gleichzeitig auch darin unterstützt werden, Verantwortung für ihr Schaffen zu tragen, so dass sie selbst in Bereichen der Kultur und Gesellschaft gestaltend wirksam werden zu können?

Als Antwort entstand das Literaturcafé, als ein Ort des gemeinsamen kulturellen und begabungsfördernden Lernens.

Grundlegung: Kreativität als Motor für die Persönlichkeitsentwicklung

Die Fähigkeit kreativ zu sein, Neues und Brauchbares zu erschaffen, spielt im künstlerischen Bereich eine wichtige Rolle. Sie ist aber auch Triebfeder für Fortschritt in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft. Wenn Kinder und Jugendliche sich dafür begeistern, kreativ Probleme anzugehen und zu lösen, kann das ihre individuelle Entwicklung und Persönlichkeit, ihr Denken und Handeln1 über die Schulzeit hinaus lebenslang beeinflussen. Das kulturelle Lernangebots eines „Literaturcafé“ sollte den Jugendlichen deshalb einen Raum bieten, schreibend ihre Potenziale in diesem Bereich kreativ zu entfalten. Durch die kreativen Prozesse und die Auseinandersetzung mit eigenen Produkten galt es aber vor allem auch, die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zu fördern.

Das Literaturcafé – Von der Idee zum Konzept   

Im Unterricht an der Lutherschule und im gemeinsamen Austausch mit den Jugendlichen wurde deutlich, dass es gerade bei einigen Schülerinnen und Schülern der Oberstufe ein Bedürfnis gab, sich individuell kreativ schreibend auszudrücken. Der spielerische Umgang mit Sprache, die Verwendung verschiedener Textsorten sowie das Interesse am Einsatz sprachlicher Mittel schienen dabei ebenso bedeutsam zu sein, wie die Verarbeitung von eigenen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen in selbstverfassten Texten. Zwei Schülerinnen machten deutlich, dass sie ihre bisher verfassten Texte als etwas sehr Persönliches und Intimes verstanden, durch diese komme „ihre eigene innere Stimme“ zum Ausdruck. Sie fürchteten jedoch, von ihrem Umfeld wegen ihres Schreibens nicht ernst genommen zu werden. Ihre Texte behielten sie für sich. Teilweise waren diese inzwischen sogar schon verloren gegangen. Eigentlich würde sie gerne noch einmal lesen, was sie zu einem früheren Zeitpunkt verfasst hätte, da sie nun schon älter sei und mehr Erfahrung habe, überlegte eine der Schülerinnen. An dieser Stelle wurde deutlich, dass sie selbst ihre Texte als Teil ihrer Persönlichkeitsentwicklung begriff.

Die Idee des Literaturcafés entstand. Methodisch orientierte es sich an den Ansätzen Weigands und Fischers, welche einen dynamischen Begabungsbegriff voraussetzen. Das Angebot des Literaturcafés richtete sich an Schülerinnen und Schüler der 10. bis 12. Klassen des Gymnasiums Lutherschule, die bereits Schreiberfahrungen besaßen. Sie erhielten im Rahmen dieses kulturellen Lernangebots die Möglichkeit ihrem Interesse, dem Schreiben, nachzugehen, unabhängig von ihrem sozialen oder kulturellen Hintergrund. Auch Einschränkungen, wie eine LRS, eine körperliche Behinderung oder eine Autismus-Spektrum-Störung bedeuteten keinen Hinderungsgrund. Die positive Bestärkung durch ihre eigenen Schreiberfahrungen, die Teilhabe an den Schreiberfahrungen der anderen sowie das Feedback der Gruppe ermöglichte im Gegenteil eine Stärkung des Selbstwertgefühls. Daraus resultierte wiederum, dass sie lernen konnten, mit ihrem Anderssein, ihrer Schwäche oder sogar Behinderung kompetenter umzugehen, indem sie ihre Ressourcen im Blick hatten und daraus Kraft und Handlungskompetenz schöpfen konnten.

Im Literaturcafé war es den Schülerinnen und Schülern möglich, ihre Potenziale bezüglich der Domäne des kreativen Schreibens selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu entfalten und zu individueller Performanz zu führen. Besonderes Gewicht erhielt dabei der Prozess vom Schreibanlass zur Endfassung des Textes. Grundlegend dafür waren Interesse bzw. Motivation der Lernenden, Möglichkeiten des selbstregulierten Lernens, das Kennenlernen und die Anwendung von Schreibstrategien und eine wertschätzende Feedbackkultur. Dementsprechend sollten offene Schreibanlässe, die durch die Lehrkraft vorgegeben oder von den Schülerinnen und Schülern vorgeschlagen wurden, die Schreibenden motivierend herausfordern. Die Lehrperson unterstützte die Schülerinnen und Schüler in ihrem Schreibprozess, indem sie ihnen – je nach Kenntnisstand, Schreiberfahrung, Mut und Selbstständigkeit – im Rahmen des Scaffolding-Prinzips, Schreibstrategien als Werkzeuge an die Hand gab. Je sicherer die Jugendlichen im Umgang mit den Strategien wurden, desto weniger Unterstützung benötigten sie und desto mehr waren sie in der Lage, ihre Schreibprozesse selbst zu steuern. Nach Fischer2 sind hier wesentliche Elemente der individuellen Förderung gegeben, die auch für die Begabungsförderung bedeutsam sind. Indem sich die Schreibenden während des Projekts immer stärker als selbstwirksam erfahren, wirkt sich dies positiv auf ihr Selbstbewusstsein sowie Selbstwertgefühl aus. Zunächst ist dieser Prozess vermutlich auf den Bereich des Schreibens begrenzt, kann sich jedoch durchaus auch auf weitere Domänen und Lebensbereiche ausweiten. Durch die regelmäßigen verpflichtenden gemeinsamen Termine, die selbstständige Weiterarbeit, die Feedbackkultur sowie die unterschiedlichen Begegnungen mit Kulturangeboten der Stadt Hannover erhielten die Jugendlichen die Gelegenheit, kreativ-freies mit vernünftigem und verantwortlichem Denken und Handeln zu verbinden, die Tragfähigkeit dieses Konzepts zu erproben und es zunehmend Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Literaturcafé – gemeinsames Kulturerleben

Da es sich beim Schreiben, wie von den Jugendlichen selbst geäußert, um eine sehr persönliche Tätigkeit handelt, die zudem geistig anspruchsvoll ist und Konzentration erfordert, spielten die äußeren Rahmenbedingungen für eine solche Arbeitsgemeinschaft eine wichtige Rolle. Um eigene Texte kreativ zu produzieren, brauchte es einen Ort mit entsprechender Atmosphäre. Schulräume, mit denen die Schülerinnen und Schüler kognitive Lernsituationen verbinden, oder in denen sie unter Leistungsdruck standen, waren dafür eher ungeeignet. Diese Überlegung führte dazu, als Ort der gemeinsamen Textproduktion ein Café zu wählen. Natalie Goldberg3 spricht davon, dass Schreiben in Cafés die Aufmerksamkeit sogar fördern kann. Gerade weil die Schreibenden von Reizen und Ablenkungen umgeben seien, rege die Atmosphäre die Sinne an und befriedige sie, so dass der schöpferische Teil der Persönlichkeit konzentriert arbeiten könne.

Da die Lutherschule in der Nähe der Universität Hannover liegt, war die Auswahl an alternativen und originellen Cafés in der Umgebung vielfältig, wobei den Ausschlag für die Entscheidung gab, dass die Jugendlichen eine Beziehung dazu aufbauen können. Die Wahl fiel auf das ‚Café 42‘, ein Café-Bistro in einem Altbau mit hohen Decken, zwei offen gestalteten hellen Räumen sowie großen Holztischen. Als Sitzmöglichkeiten stehen neben Stühlen auch Sofas zur Verfügung. Der Besitzer, war damit einverstanden, dass die Schülerinnen und Schüler nicht verpflichtend etwas konsumieren. Das war wichtige Vorbedingung, da die finanziellen Mittel kein Hinderungsgrund für die Teilnahme sein durften. Das Café wurde von den Jugendlichen sofort angenommen, wobei sie anfangs eine Mischung aus Erwartung, Verwunderung und Skepsis zeigten, dass Lernprozesse nun in einer Umgebung stattfinden sollten, die sie sonst mit Freizeit und Öffentlichkeit verbanden. Darüber hinaus schrieben die meisten bisher eher zurückgezogen. Nun wurde ihre Tätigkeit nicht nur für die Teilnehmenden der Arbeitsgemeinschaft sichtbar, sondern auch für die Cafébesucher. Das erforderte zusätzlichen Mut. 

Die Schreibanlässe entstanden anfangs durch Anregungen der Lehrkraft, waren durch relative Offenheit gekennzeichnet und/oder beinhalteten eine besondere Herausforderung. Die Lehrkraft erläuterte das Vorhaben und zeigte Grenzen auf. Zunehmend wurden die Themen dann spontan durch die Schülerinnen und Schüler vorgeschlagen, weil sie ihrem aktuellen Bedürfnis nach Ausdruck entsprachen, weil sie ein Genre oder die Verwendung eines sprachlichen Mittels (z.B. Metaphern) erproben wollten. Sie legten fortschreitend selbstständiger fest, welche Vorgaben sie für die jeweiligen Schreibprozesse benötigten und welche Freiheiten sie sich wünschten. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass die Jugendlichen sich nach der Festlegung des Schreibanlasses untereinander kurz mündlich darüber austauschten, um eigene Klarheit zu erlangen, ihre Fantasie anzuregen, Vorwissen zu erinnern und mögliche Unsicherheiten abzuschwächen. Die Lehrkraft achtete darauf, dass die Jugendlichen nicht von der eigentlichen Fragestellung abschweiften bzw. dass das sprachliche Mittel bzw. das Genre verstanden wurde. Anschließend schrieben sie konzentriert und auf ihre eigenen Schreibprozesse fokussiert. Aufkommende Fragen klärten sie mehrheitlich unter sich, die Lehrkraft beriet lediglich im Bedarfsfall. Wenn am Ende der Schreibphase die ersten Textfassungen vorgestellt wurden, hörten die Jugendlichen einander aufmerksam zu, würdigten die Texte der anderen und machten Vorschläge zu möglichen Verbesserungen. Die Lehrkraft hielt sich auch in dieser Phase zurück. Korrekturvorschläge hatten lediglich beratenden Charakter, der Schreibende entschied selbst für sich, ob diese für ihn bzw. sie passten. Die Jugendlichen hatten beim Vorlesen meist selbst ein feines Gespür dafür, welche Formulierungen ihnen noch nicht zusagten, versuchten ihr Schreibziel so genau wie möglich zu formulieren und baten die Gruppe um Unterstützung, um gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Überarbeitung der verfassten Texte fand in der Freizeit der Jugendlichen, an ihren gewohnten Schreiborten, statt. Die Anregungen aus der Gruppe und das Bewusstsein über die eigenen Ziele wirkten motivierend, sich erneut mit dem Text produktiv und korrigierend auseinander zu setzen. Die wertschätzende Haltung dem eigenen kreativen Schaffen gegenüber stieg, eigene Texte wurden ernst genommen. Das war besonders wichtig, wenn es darum ging, auch in Zeiten hoher Belastung durchzuhalten.

Der vorerst größte und wichtigste Schritt auf dem Weg der Teilnehmerinnen des Literaturcafés war eine öffentliche Lesung im Ballhofcafé in Hannover. Die Schülerinnen und Schüler konnten für sich selbst entscheiden, welche Texte sie öffentlich vortragen wollten bzw. welche ihnen zu persönlich waren und damit eher bedeutsam für ihre eigene Entwicklung. Während der vorbereitenden Treffen wurde ein Programm erstellt und die Lesung vorbereitet: die Schwerpunktthemen wurden bestimmt, die Texte ausgewählt, Texte, die darüber hinaus entstanden waren, das sogenannte „Kaleidoskop“, wurden überarbeitet und das Vortragen wurde geübt. Da sich bei einigen Schülerinnen die Angst vor dem öffentlichen Auftritt steigerte, galt es, einander zu ermutigen und die Sicherheit beim Vortragen zu steigern. Atmung, Artikulation und Ausdruck wurden immer wieder trainiert. Die Lesung sollte den Namen „Kaffee-Satz“ tragen. 

Das Ballhof-Café in der Altstadt ist die kleinste Kulturbühne des Niedersächsischen Staatstheaters in Hannover. Hier können auch nichtprofessionelle Künstler und Kulturschaffende ihre Projekte und Ideen einbringen. Dazu steht mittwochs ab 20:00 Uhr die kleine Bühne zur Verfügung. Die Veranstaltungen müssen über das Staatstheater, junges Schauspiel, angemeldet werden. Interessierte können sich über die Homepage des Ballhof-Cafés informieren, welche Veranstaltungen angeboten werden oder einfach vorbeischauen. Zum Vortrag des Literaturcafés fanden sich mehr als dreißig Zuschauer ein, Mitschülerinnen und Mitschüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Interessierte, die keinen Bezug zu den Schülerinnen des Literaturcafés oder der Lutherschule hatten. Mit ihrem Auftritt und ihren Vorträgen gelang es den Schülerinnen, ihr Publikum derart zu packen, dass sich die Veranstaltung auch nach der Lesung nicht gleich auflöste, sondern viele der Zuhörenden das Gespräch mit den Autorinnen suchten. Der anhaltende Applaus und das nachhaltige Interesse des Publikums verdeutlichten den Teilnehmerinnen des Literaturcafés ihren großen Erfolg. Sie äußerten ihren Stolz auf das, was sie erreicht hatten, gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich einige von ihnen noch ein halbes Jahr zuvor eine Lesung nicht hätten vorstellen können.

 

„Ein Bergkristall: unrein, unregelmäßig –
gerade deshalb schön,
einzigartig –
fast wie ein Mensch in seiner Unvollkommenheit.
Der Bergkristall auf seine Art majestätisch –
nicht perfekt und sich dessen bewusst,
(…) reflektiert und fängt das Licht,
es scheint, als leuchte er von innen heraus:
unaufdringlicher Stolz.“ 

(Sarah, 19 Jahre, mit Autismus-Spektrum-Störung)

1 Urban, K. K. (2004). Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. Münster: LIT-Verlag.
2 Fischer, C. (2014b). Individuelle Förderung als schulische Herausforderung. – Eine Zusammenfassung der Studie.
In U. Erdsiek-Rave & M. John-Ohnesorg (Hrsg.), Individuell fördern mit multiprofessionellen Teams (S.21–25). Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.
3 Goldberg, N. (fünfte Aufl. 2017). Schreiben in Cafés. Writing Down the Bones. Berlin: Autorenhaus Verlag.

11/2021

Die pandemisch bedingten Schulschließungen zeigen im Hinblick auf Lernorganisation und -motivation, soziales Miteinander und gesellschaftliche Verortung große Auswirkungen, denen es gesellschaftlich zu begegnen gilt. Eine Möglichkeit sahen wir darin, uns der Sommerschule des BMGHs anzuschließen und Angebote für Schüler*innen während der Sommerferien anzubieten. Ein Resümee.

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

Das Burgdorfer Mehrgenerationenhaus (BMGH) in Zusammenarbeit mit der Jugendpflege haben unter der Beteiligung der Astrid-Lindgren-Grundschule und des Gymnasiums Burgdorf in den letzten zwei Wochen der Sommerferien gemeinsam die Sommerschule 21 in Burgdorf durchgeführt. Eine Bilanz aus schulischer Sicht.

Im Allgemeinen sollten die teilnehmenden Kinder beim kulturellen Lernen zu den Schwerpunktthemen Bienen, Schwimmen und Einkaufen andere Formen von „Schule“ kennenlernen und Spaß haben, den Lebens- und Lernort Schule nach den letzten eineinhalb Jahren des pandemischen Ausnahmezustands für sich zurückzuerobern.

Schule ist längst nicht mehr nur Ort der Wissens- und Kompetenzvermittlung, sondern ein wichtiger Lebensort: Erziehung und Wertevermittlung finden bei vielen Kindern und Jugendlichen zunehmend in Schule statt. Als Bildungseinrichtung müssen wir eine Schul„Kultur“ anbieten und leben, um den Bedürfnissen der Kinder, der Eltern, der Gesellschaft zu entsprechen.

Das Grundbedürfnis nach Kontakten, kulturellem Lernen, offenem Lebensraum und Lernort nehmen wir in dieser Zeit verstärkt wahr. Ohne soziale Kontakte stellt sich ein allgemeines Unwohlsein bei uns Menschen ein und unsere Leistungsbereitschaft sowie unser Leistungsvermögen sinken (ungewollt).

Sommerschule 21 als ein Baustein der individuellen Lernförderung in Coronazeiten

Zu Beginn diesen Kalenderjahres initiierten wir am Gymnasium Burgdorf ein Programm, „Lernzeit in der Schule“, das sich aus der Notbetreuung und der (telefonischen sowie digitalen) Beratung von Eltern und Schüler*innen entwickelte. Aufgrund unserer Bedarfsanalyse sollte die „Lernzeit in der Schule“ nachstehende Ziel verfolgen: eine Betreuung anbieten, um Lernrückstände aufzuholen, bei der Strukturierung des Lernalltags und der Nutzung digitaler Endgeräte zu unterstützen, Schüler*innen aus gesellschaftlich benachteiligten und/oder bildungsfernen Familien ein Lernumfeld zu bieten, DAZ-Kinder zu fördern, Eltern mit inklusiv zu beschulenden Kindern zu entlasten. Kinder und Eltern äußerten – zeitgleich mit dem Einstieg in das Szenario B und dann A – den zunehmend wahrgenommenen Bedarf an jahrgangs- und fächerbezogener Aufbereitung von Lernrückständen. Das Gymnasium Burgdorf trug diesem Rechnung durch die Einführung der „digitalen Lernzeit Mathe“ und einem Präsenzangebot für Deutsch und Englisch in den Randstunden.

Was uns am Gymnasium Burgdorf nach der Rückkehr in den sogenannten Regelbetrieb ab Mai 2021 jedoch in höherem Maße als antizipiert beschäftigte, war, dass das coronabedingte Distanzlernen sehr unterschiedliche Auswirkungen bei den Schüler*innen im Hinblick auf Lernstrukturen und Lernrückstände aufwies. Konzentrationsschwächen, Auffälligkeiten im sozialen Miteinander, Schwierigkeiten im Einhalten von Regeln und Anwenden von Lernstrukturen erschwerten und veränderten zusätzlich die Lernprozesse.

Die Sommerschule 21 setzte genau an diesen Beobachtungen an und war somit ein Baustein der individuellen Lernförderung. Mit dem Burgdorfer Mehrgenerationenhaus (BMGH) und der Jugendpflege in Burgdorf, beides langjährige Kooperationspartner des Gymnasiums, konnten wir das Projekt Sommerschule 21 umsetzen.

Ausrichtung der Sommerschule aus gymnasialer Perspektive

Die Initiatoren, das BMGH, die Jugendpflege und das Gymnasium Burgdorf waren sich einig, dass das soziale Miteinander eine politische und eine kulturelle Dimension hat.

Teilhabe zu ermöglichen, Angebote zu machen, Hilfe anzubieten, Schulstrukturen zu vermitteln, der Vereinzelung trotz Corona entgegenzuwirken und die Demokratieförderung – in der Wertschätzung der Vielfalt – insbesondere im interkulturellen Miteinander engagiert anzugehen sowie Freude beim Lernen zu vermitteln waren unser gemeinsame Zielrichtung. Ein umfangreiches Kreativprogramm (Burgdorfer Jugendhilfe und Soziales Lernen verbindet) und Angebote zur Aufarbeitung von Lernrückständen (Gymnasium Burgdorf) schärften das Profil der Sommerschule 21.

Die ästhetische Bildung war unser Zugang, Freude am Lernen zu vermitteln und Begegnungen zu schaffen: Über Musik (Flötenunterricht), Kunst (Graffiti-Workshop, Hundertwasser und Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur), Sprache (DAZ Unterricht, Zeichensetzung und Satzteilbestimmungen im Deutschen, Englische Sachliteratur, Englische Grammatik, u.a.), Geisteswissenschaften (Werbung und ihre Wirkung auf uns), Naturwissenschaften (Bienenkunde und Mikroskopieren), u.a. wurde der Zugang zu vielen inhaltlichen und methodischen Kompetenzen (auch für andere Fächer) angebahnt und inklusive, demokratische Kompetenzen vermittelt.

Im Sport- wie auch Schwimmunterricht wurde durch koordinative und konditionelle Übungen Freude an Bewegung und Fitness vermittelt. In diesem Bereich schien uns bedingt durch die Pandemie ein großer Nachholbedarf. Wichtig war uns, in der Sommerschule 21 „erfahrendes Lernen“ sowie eine gelebte Schul„Kultur“ in den Vordergrund zu stellen.

Organisation und Durchführung

„Spielerische und kreative Lernansätze sind eine wichtige Voraussetzung für Lernbereitschaft und nachhaltiges Lernen. Den Bereich Bildung und Kultur – durch Corona lahm gelegt – wieder neu mit Leben und Nachhaltigkeit zu füllen, wird ein langer Weg des Wandels sein, die Sommerschule ein Chance, ein Baustein, auf diesem Weg“, so Klaus Peters, Lehrer am Gymnasium und Mitorganisator der Sommerschule 21.

Als Gymnasium hatten wir das Glück, uns auf bewährte Strukturen des BMGHs stützen zu können. Über 25 Dozenten des BMGHs (z.T. Schüler*innen und Abiturient*innen des Gymnasiums Burgdorf) betreuten während der Sommerschule 21 jeweils ca. 5–7 Kinder und bildeten Lernorganisationsgemeinschaften. Als Ansprechpartner*innen ermutigten sie die Kinder durch persönliche Ansprache, Neues auszuprobieren und Angebote anzunehmen. Sie begleiteten die Kinder zu den Referent*innen (Kolleg*innen mit den Unterrichtsangeboten) und halfen bei der Nachbereitung der Unterrichtsinhalte und der Versprachlichung des Erlebten (gesammelt ergeben diese Berichte ein gemeinsames Buch, welches die Schüler*innen als Erinnerung erhalten werden).

Die Sommerschule verteilte sich auf vier Standorte: das BMGH, das Kulturzentrum Burgdorf, die Astrid-Lindgren Grundschule und das Gymnasium Burgdorf. Daher bot es sich an, die Sommerschule in einen Vormittags- und einen Nachmittagsblock von jeweils drei Stunden zu strukturieren. Während der Vormittag Unterrichtsangebote enthielt, wurden mittags in den für die Dozent*innen bereitgestellten Räumen der Unterricht nachbereitet. Sport als Differenzierungsangebot gab es ganztägig; kulturelle Angebote waren vorrangig für den Nachmittag vorgesehen. Der Mittwoch war für gemeinsame Ausflüge gedacht: ein Besuch im Zoo, im Kletterpark, oder eine Spaßveranstaltung, die die Kinder mit ihren Dozent*innen selber auswählen und organisieren konnten.

Das BMGH bot sich zudem an, Arbeitsverträge mit allen Referent*innen und somit auch mit unseren Lehrkräften des Gymnasiums Burgdorf abzuschließen, was eine ungeheure organisatorische Entlastung für die Schule darstellte. Die in Kürze bereitgestellten Mittel aus dem „Aktionsprogramm“ zur Aufbereitung der Lernrückstände gehen in das Schulbudget ein; die Materialien und geleisteten Tätigkeiten im Auftrage des Gymnasiums werden über das BMGH an die Referent*innen vergütet. Zusätzlich konnten Sponsoren für die Ausrichtung der Sommerschule gewonnen werden.

Evaluation der Sommerschule aus schulischer Sicht

Aus schulischer Sicht war die Sommerschule 21 ein großer Erfolg! Am letzten Tag bedankten sich die Kinder mit einem Minuten andauernden tosenden Applaus bei allen Dozent*innen und Referent*innen und feierten uns wie Hollywood Stars. Es war einer der emotionalsten Momente der letzten Schulzeit! Wie dankbar Hilfe und persönliche Zuwendung empfunden werden kann, vergessen wir Pädagogen manchmal, wenn es um die Umsetzung der KCs geht und wenn wir bei alldem, was wir an Kompetenzen vermitteln wollen, völlig unter Zeitdruck stehen. Dieses war für uns Gymnasiallehr*innen auch mitunter die größte Herausforderung der Sommerschule 21: Wir wollten Lernlücken schließen und inhaltlich arbeiten, möglichst effizient sein. Die teilnehmenden Kinder waren Schüler*innen von unterschiedlichen Schulformen. Oft wussten wir nicht genau, welche Gruppe in unserem Klassenraum erscheinen würde und wurden hinsichtlich unserer Differenzierungskünste auf die Probe gestellt. Die Ergebnisse stimmten uns zufrieden. An der Idee einer Sommerschule wollen wir wohl festhalten. Die Stimmung in den Ferien im Schulgebäude war mitreißend. Der Flötenkurs zum Beispiel – zunächst begonnen mit drei Interessierten – zählte zum Schluss 20 Teilnehmer*innen, so dass der Kurs schließlich geteilt werden und doppelt stattfinden musste; die Schüler*innen musizieren noch nach der Sommerschule weiter und es ist bemerkenswert, wie sie einen Zugang zu einem Instrument und zum gemeinsamen Musizieren gefunden haben. Auch die Schwimmkurse waren besonders erfolgreich: Viele Kinder haben den eisigen Temperaturen des Freibads getrotzt, im kalten Nass geübt und ihr Schwimmabzeichen machen können. Doch an der Nachhaltigkeit unseres unterrichtlichen Handelns – so ergaben auch die anschließenden in-house-Evaluationsgespräche – würden wir gerne weiter arbeiten, ohne die Begegnungen mit Kindern andere Schulformen aufgeben zu wollen. Unterschiedliche Modelle sind denkbar.

11/05/2021

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

Als Koordinatorin am Gymnasium Burgdorf umfasst mein Aufgabenfeld die pädagogische Arbeit in der Sekundarstufe I, die ILE (Individuelle Lernentwicklung), Persönlichkeitsentwicklung und Beratung, Inklusion und Differenzierung, Kulturelles Lernen, Schulentwicklung, Betreuung der Referendar*innen u.a.

Im Folgenden stelle ich Ihnen die immer mehr Konturen annehmende Idee für die Sommerschule 21 im Kontext des kulturellen Lernens vor. Die Sommerschule 21 soll die 3. Stufe (s. Anlage 1) unseres übergeordneten Projektes „Demokratie – Teilhabe durch Kulturelle Bildung und Individuelle Lernförderung“ darstellen, welches Michael Loske, LRSD und ich im Frühjahr 2019 angedacht und seither zusammen umsetzen.

Kurze Übersicht der Inhalte dieses Schreibens:

1. Grundsätzliche Projektidee und Ausrichtung des „Kulturelles Lernen verbindet“
2. Einblick in die seit 2019 erwachsene Struktur
3. Erkenntnisse aus dem Projekt verändern das Verständnis von Schule als Bildungsort
5. Kulturelles Lernen und Sommerschule 21
6. Finanzierungsfrage
7. Anlagen 1-6

 1. Grundsätzliche Projektidee und Ausrichtung:

Die Projektidee, mit der Paul-Klee-Schule, Celle, Förderschule GE im Bereich der ästhetischen Bildung zu kooperieren (s. Anlage 2), ergab sich aus den Beobachtungen und der Summe der Beratungsgespräche in der Sek I über viele Jahre. Diese wiesen auf, dass dem sozialpolitischem Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft durch Schule nicht (mehr) Rechnung getragen wird (zunehmend Alleinerziehende und/oder Doppelverdiener, veränderte Klientel durch den Wegfall von Empfehlungen, Inklusion und Schüler*innen mit Migrationshintergrund (Sprachlernklassen) … Schule ist längst nicht mehr nur Ort der Wissens- und Kompetenzvermittlung. Es ist Lebensort – Erziehung sowie Wertevermittlung finden bei vielen Kindern und Jugendlichen zunehmend in Schule statt.

Currikulare Vorgaben sehen den Gegenwartsbezug und die kognitive Verknüpfung mit der Lebenswelt der Schüler*innen vor – doch erfahrendes Lernen ist das, was persönlichkeitsbildend ist.

Wie auch das Institut für Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung CCOnetzwerke ihrem Coachingprogramm (s. Anlage 3) zugrunde legt, sind wir der Ansicht, dass Persönlichkeitskompetenzen die Voraussetzung für Lernerfolg sind und gerade für erfolgreiches Distanzlernen in Coronazeiten unabdingbar sind. Persönlichkeitsentwicklung und ILE (Individuelle Lernentwicklung) nehmen daher eine zentrale Herausforderung in der Pädagogik ein und sind das zentrale Gerüst für das Projekt „Kulturelles Lernen verbindet“ und damit auch für das Format Sommerschule 2021, wie wir es planen.

2. Einblick in die seit 2019 erwachsene Struktur (s. Anlage 4a-d)

Aus unseren zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten von Gymnasiasten, Förderschülern mit dem Förderschwerpunkt GE und Hochbegabten gewannen wir neue Einblicke in Schule und kulturelles Lernen und es verdichtete sich immer mehr für uns, dass kulturelles Lernen ein interdisziplinärer Bildungsansatz ist. Eine Intensivierung der kommunalen und regionalen Kooperationspartner wurde mit dem gemeinsamen Projekt WORTREICH*, ein Projekt gegen Wortverarmung, für Demokratie und Teilhabe, initiiert und eingeleitet. Wegen Corona aber zunächst zurückgestellt. Im Dezember 2021 soll die gemeinsame Arbeit daran wieder aufgegriffen werden.

Eine konkrete Umsetzung der Grundidee von WORTREICH* setzte Frau Wieker mit der Sommerschule des BMGHs bereits 2020 um. 40 Schüler*innen mit Migrationshintergrund erhielten morgens Sprachförderung und konnten einen PC-Führerschein erwerben (und wurden so auf das Distanzlernen vorbereitet), weitere 60 Schüler*innen aus dem DAZ-Bereich kamen für kulturelle Angebote und Begegnungen in den Nachmittagsstunden dazu. Eine gezielte Sprachförderung erfolgte u.a. auch dadurch, dass über gemeinsam Erlebtes von Schüler*innen geschrieben wurde und ein Buch über die Sommerschule daraus entstand.

Die Sommerschule 21 kann auf die Erfahrungen des BMGHs des letzten Sommers zurückgreifen und eine sinnvolle Ausweitung des Angebots für unsere Gymnasiasten darstellen. Die Aufarbeitung von Lernrückständen sollte dabei einen wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkt darstellen. Doch bietet die Sommerschule viel mehr: Struktur, Begegnungen, Motivation durch spielerische Lernansätze und Erfolgserlebnisse im kreativen, handlungsorientierten, ästhetischen Lernen u.a.

3. Erkenntnisse aus dem Projekt verändern das Verständnis von Schule als Bildungsort1

Ansatz des kulturellen Lernens ist gelebte „Schul-Kultur“, ein ganzheitlicher humanistischer Bildungsansatz.

Oberstes Ziel ist, ein kritisches Denken zu erziehen, sich von einer Verantwortungsethik leiten zu lassen und dieses zu vermitteln, um die Stabilität der freiheitlich verfassten Gesellschaftsordnung zu bewahren.

Es sind die Fragen unserer Schülerschaft, die früher vermutlich zu Hause im familiären Kontext erörtert wurden, die durch Religionszugehörigkeit und Glaubensvermittlung abgefedert werden konnten.

Unsere Welt hat sich durch die Globalisierung, Digitalisierung, Technisierung und Säkularisierung stark verändert. Alles ist freier, offener, volatiler und beliebiger geworden.

Doch diese Offenheit steht im Spannungsverhältnis zum eigenen Vermögen kognitiver, physischer oder psychischer Belastbarkeit und zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen nach Sicherheit, Struktur, persönlicher und gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Verwurzelung, der persönlichen Annahme.

Um mit der Freiheit unserer Welt etwas anfangen zu können, müssen Kinder und Jugendliche darauf vorbereitet werden. Sich in der Welt zurecht zu finden, sich selbst zu verorten, kreative Lösungen für individuelle doch oft elementare Fragen zu finden und ihnen mutig zu folgen, sich selbst Grenzen zu setzen oder sie zu akzeptieren bedarf der Anleitung. Freiheit leben will eben gelernt werden. Es bedarf Vorbilder um selber eines werden zu können.“

Die Sommerschule 21 unterstützt das Aktivwerden gegen die Starre und Ohnmacht, die viele Kinder und Jugendliche anlässlich der aufweichenden gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Orientierungslosigkeit empfinden. Kulturelles Lernen vermittelt elementare Kompetenzen für die Schul-, Berufs- und Studierfähigkeit. Viel gewichtiger aber ist, dass die Sommerschule 21 kurzfristig den Weg zu ebnen vermag für das kommende Schuljahr 2021/22.

 

4. Kulturelles Lernen und Sommerschule 21

Uns beschäftigt im Zusammenhang des kulturellen Lernens, wie Gymnasien (und alle anderen Bildungseinrichtungen) den Erziehungs- und Bildungsbedarfen der Kinder und Jugendlichen während und NACH der Corona-Zeit gerecht werden können.

In den letzten Monaten habe ich am Gymnasium Burgdorf ein Programm initiiert und einigen sehr engagierten Kolleg*innen umgesetzt, das sich „Lernzeit in der Schule“ nennt. Es ist ein Programm, das anbietet, Lernrückstände aufzuholen, bei der Strukturierung des Lernalltags und der Nutzung digitaler Endgeräte zu unterstützen, Schüler*innen aus sozial schwächer gestellten Familien ein Lernumfeld zu bieten, DAZ-Kinder zu fördern, Eltern mit inklusiv zu beschulenden Kindern zu entlasten.

Insgesamt nehmen über 60 Schüler*innen an dem Programm teil, das auf Freiwilligkeit basiert.

Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass nicht die Sorge um Noten und Lernrückstände Eltern und Schüler*innen von dem Programm überzeugt haben. In meinen Gesprächen mit den Erziehungsberechtigten war vorrangig wichtig2, „dass ihre Kinder wieder Klassenkameraden sehen, dass Schule als Lern- und Lebensort für ihre Kinder wieder realer und greifbarer wird, dass ein strukturierter Tag wohltuend ist und sich wie die Rückeroberung von einem Stück Normalität anfühlt. 

Auch das freiwillige Zurücktreten ist für die meisten – so die überwiegende Rückmeldung – keine Option, solange ungewiss ist, wie es nach den Sommerferien in den Schulen weitergehen wird. Denn – wie sollen ihre Kinder neue Freundschaften und Vertrauenspersonen finden, wenn sie nicht regelmäßig in die Schule gehen werden?

An dieser Haltung hat auch die Öffnung der Schulen für das Szenario B nichts geändert. Die Verunsicherung durch die letzten eineinhalb Pandemiejahre wird deutlich.

Gerade in diesen Zeiten, in denen Bildung zunehmend privatisiert, Schulabbrecherzahlen sich verdoppeln, das (häusliche) Gewaltpotential in der Gesellschaft steigt, verfassungsferne und extremistische Stimmen in der Gesellschaft lauter werden, gewinnt kulturelles Lernen an politischer Dimension: Integration statt Exklusion, kulturelles und interkulturelles, inklusives Lernen als Bewahrung elementarer politischer, demokratischer Grundwerte.

Durch demokratiepädagogisches Arbeiten gilt es, weltanschauliche Wertevermittlung zu betreiben. Zu lange schon ist durch die Pandemie ein Leerraum von Wertevermittlung („Verkulturlosung“) entstanden oder allein den Elternhäusern überlassen (die mitunter diesen Leerraum nicht zu füllen wissen/wussten). Somit obliegt es uns u.a. diesen Leerraum neu mit (Gemeinschaft-)Sinn zu füllen und die Jugend stark zu machen gegen Extremismus, Social Media, Fake News, unreflektierte Einordnung von Ereignissen.

Das Miteinander hat eine politische und eine kulturelle Dimension. Über Musik, Kunst, Literatur und Geschichte ermöglichen wir uns den Zugang zu vielen inhaltlichen und methodischen Kompetenzen anderer Fächer, sowie inklusiven Kompetenzen. So bietet sich die Ästhetische Bildung als Zugang an, Lernrückstände behutsam und im Einklang mit den Grundbedürfnissen des Menschen anzugehen. 

Kulturelles Lernen ist nur möglich durch glaubwürdige, anspruchsvolle und engagierte persönliche Vermittlung (und Begegnung). Es bedarf der erwachsenen Generation, es bedarf an Vorbildern, mutiprofessionellen Teams. All dem kann und soll die Sommerschule 21 gerecht werde, indem über die Ästhetische Bildung und Sport eine positive Lernzuwendung zu den anderen Fächern behutsam eingeleitet wird.“

Mit dem Szenario B am Gymnasium Burgdorf haben ich nun die „Lernzeit in der Schule“ dahingehend angepasst, dass die Schüler*innen jahrgangsbezogene fachliche Unterstützung bei der Aufarbeitung ihrer Lernrückstände im digitalen Format erhalten. Kolleg*innen, die in den Jahrgängen selber für Fachunterricht eingeteilt sind, übernehmen diese Aufgabe. So beginnen wir bereits jetzt, die Sommerschule 21 auch im Hinblick auf die Aufarbeitung von Lernrückständen vorzubereiten. Zwei Wochen in den Sommerferien können natürlich nicht die Lücken schließen, die durch die Coronazeit entstanden sind. Ob wir dann im kommenden Schuljahr dieses Format der jetzigen „Lernzeit in der Schule“ fortsetzen werden, wird die Evaluation am Ende dieses Schuljahres ergeben und die Bereitstellung an Möglichkeiten, die Ministerien und Behörden an uns herantragen werden.

 

5. Finanzierung

Als Bildungseinrichtung benötigen wir eine verbindliche Zusage für Ressourcen (wirtschaftlicher, personeller Art), um die Sommerschule 21 umsetzen zu können. Nur mit der Rückmeldung für finanzielle Mittel kann an die Kollegen herangetreten werden, um sie für den Unterricht anzuwerben. Auch sie haben eine anstrengende Zeit mit Mehrfachbelastung hinter sich. So sind doch viele Kolleg*innen selber Eltern und haben in den letzten eineinhalb Jahren nicht nur den Schulbetrieb von zu Hause aus aufrechterhalten, sondern auch ihre eigenen Kinder parallel betreut, beschult, kranke Angehörige gepflegt, etc. trotz Wegfalls des eigenen sozialen Umfelds, der eingespielten Strukturen mit ausgetüfteltem Betreuungssystem. Die Lehrerschaft ist erschöpft und eine Wertschätzung der Arbeit in den Sommerferien durch Vergütung ist von Nöten.

Um den pandemischen Großaufgaben der Pädagogik sinnvoll begegnen zu können wollen wir gut ausgebildetes Fachpersonal für die “Lernzeit“ bereitstellen können, um Lernrückstände in enger Verzahnung mit den curricularen Vorgaben des Gymnasiums aufzuarbeiten und den sozialen Bedürfnissen von Schüler*innen und deren Familien gerecht werden zu können.

Aufschlüsselung des Bedarfs vom Gymnasium Burgdorf für die Sommerschule 21 (16. – 27. August 2021)

  • Wir gehen aus von ca. 250 Schüler*innen +, die sich anmelden werden (die Zahl basiert auf der Zahl der ausgegebenen digitalen Endgeräten (ca. 150) + Annahme der Lernzeit (60): 
  • Die Lernzeit der Sommerschule 21 (s. Anlage 10) umfasst 4 Tage á 4 Stunden für zwei Wochen (d.h. 16 Lehrerwochenstunden pro Jahrgang 5-10 – unter Coronabedingungen und Einhaltung des Hygieneplans).
  • Was das Angebot hinsichtlich der Beschulung von Kindern mit Migrationshintergrund anbelangt, so sind wir dankbar, dass diese durch das BMGH abgedeckt ist. Durch unsere Kooperation mit dem BMGH und dem Haus der Jugend, Burgdorf, sind viele Angebote im kulturellen ästhetischen Lernen am Nachmittag gedeckt, was die finanziellen Mittel und die personelle Betreuung anbelangt.
  • Klartext übernimmt die technische Fortbildung von Schüler*innen, die ein gesteigertes Interesse an Medientechnik haben und keine Lernrückstände aufarbeiten müssen. Klartext übernimmt zugleich die Dokumentation der Sommerschule 21, beauftragt durch das BNGH.
  • Die mobile Jugendhilfe wird zusammen mit dem Haus der Jugend voraussichtlich ein Persönlichkeitstraining für Schüler*innen anbieten. Kostentechnisch wäre dieser Block somit abgedeckt.
  • Angebote des Gymnasiums Burgdorf im Bereich der Ästhetischen Bildung müssten jedoch eine Unterstützung erfahren: Sport, Musik, Kunst, naturwissenschaftliche Experimente (wir gehen von Blockveranstaltungen á 3 Stunden an den Nachmittagen aus = 48 Wochenstunden für alle 4 Bereiche). (vgl. Anlage 6)

> Insgesamt müssen wir ca. 400 Stunden à 30 € zur Kostendeckung für das Gymnasium Burgdorf rechnen; Materialkosten kämen noch dazu.

 

Da wir für die Lernzeit und die kulturellen Angebote neben dem BMGH auch die Räumlichkeiten und die Sportanlagen der Schule nutzen wollen, wäre es rein logistisch und datenschutzrechtlich notwendig, die Lehrer*innen des Gymnasiums für die Lernzeit zu gewinnen, da sie Schlüssel, Materialien, Passwörter (Computer und Whiteboards) für die Schule haben und bedienen können. Die Möglichkeiten der Finanzierung der gymnasialen Angebote ist zu prüfen.

Abschließend möchten wir uns aussprechen für Mut und Weitsicht, Schulentwicklung trotz allem – trotz Corona – behutsam weiterzudenken und dabei die übergeordneten pädagogischen Aufgaben für Bildung und Gesellschaft mitzubedenken.

1 vgl. Wiebke Schwarzrock-Pittalis; Vortrag vor dem Inklusionsbeirat; Mai 2021. Siehe Rubrik „Fachartikel“.
2 vgl. Wiebke Schwarzrock-Pittalis, ebenda.

20/04/2021

Erkenntnisse aus dem Projekt „Kulturelles Lernen verbindet“ haben unser Verständnis von Schule als Bildungs- und Lebensort verändert: kulturelle, nachhaltige Bildung schafft eine (neue) Schulkultur; zudem drängen sich uns aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen umfassende sozial-politische, unser demokratischen Grundfeste betreffende und globale Fragestellungen auf, wie z.B. die Gestaltung und nachhaltige politische (Heraus-)Bildung unserer multikulturellen Gesellschaft. Wir werben um einen weitergefassten Begriff von Inklusion.

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Ich freue mich, dass ich heute Gastredner des Inklusionsausschusses sein darf und über das Projekt „Demokratie – Teilhabe durch Kulturelle Bildung und Individuelle Lernförderung“ berichten kann, das Michael Loske LRDS und ich im Frühjahr 2019 angedacht und zusammen ab dem SJ 2019/20 umsetzen.

Zum Inhaltlichen Überblick und zur Ausrichtung/Perspektive
Gliederung
1. Projektidee und -inhalte
2. Einblick in die seit 2019 erwachsene Struktur
3. Wie Erkenntnisse aus dem Projekt das Verständnis von Schule als Bildungsort für uns verändert hat
4. Werben für einen weitergefassten Inklusionsbegriff
5. Ausblick und Wünsche für die Zukunft (trotz/ oder gerade wegen Corona)

 

1. Projektidee und Inhalt

Die Projektidee ergab sich aus den Beobachtungen und der Summe der Beratungsgespräche in der Sek I über viele Jahre, die aufwiesen, dass dem sozialpolitischem Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft durch Schule nicht (mehr) Rechnung getragen wird (zunehmend Alleinerziehende und/oder Doppelverdiener, veränderte Klientel durch den Wegfall von Empfehlungen, Inklusion und Schüler*Innen mit Migrationshintergrund… (Sprachlernklassen) Schule ist längst nicht mehr nur Ort der Wissens- und Kompetenzvermittlung. Es ist ein Lebensort! Erziehung sowie Wertevermittlung finden bei vielen Kindern und Jugendlichen zunehmend in Schule statt. Ein Schüler schrieb in einem offenen Brief an das Kollegium: „Warum müssen wir so viele inhaltliche Kompetenzen erlernen, wenn wir aber nicht lernen, was uns glücklich macht oder wer wir sind?“ – und sprach damit aus, was ich in vielen Gesprächen bereits zuvor als Quintessenz bereits vernommen hatte. Es bedürfte eines Umdenkens. Zudem ist diese Wertevermittlung in einen größeren, viel komplexeren Zusammenhang zu denken, nehmen wir doch die übermächtigen Themenkomplexe unserer Zeit wahr (Technisierung – Globalisierung/Vereinzelung-Persönlichkeitsentwicklung – Demokratiebildung/(Kulturelle)Bildung für nachhaltige Entwicklung. Curriculare Vorgaben sehen den Gegenwarts- und Aktualitätenbezug vor, greifen bereits die genannten Themenkomplexe auf – doch erfahrendes Lernen ist das, was persönlichkeitsbildend ist. Die geforderten Transformationsprozesse (siehe Agenda 2030 der UNESCO) beginnen bei jedem Einzelnen. Wollen wir große Ideen umsetzen, so müssen wir bei uns selber ansetzen. Jedem die Teilhabe an den Transformationsprozessen zu ermöglichen, diese Prozesse anzuleiten, zu verknüpfen, zu verbinden ist daher wichtige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufgabe unserer Zeit! Kulturelle Bildung und kulturelles Lernen erfolgt durch die Darbietung bzw. Das Angebot von Erfahrensräumen, die ermöglichen, das eigene Leben und Lernen in einen größeren Kontext zu stellen, um den Blick für Lebenswelten außerhalb unserer eignen Lebenswirklichkeit zu öffnen.

Das Fremde kann eine interkulturelle Begegnungsstätte, ein Sozialtreff, ein Altenheim, eine Gedenkstäte, Lernorte für Forschung und Technik (KinderUNI u.a.) u.v.m.; dabei ist es entscheidend, neben Erfahrensräumen auch eine gesellschaftliche Komponente (Rückkopplung, Selbstwirksamkeit, Bezug, Präsentationsplattform) mitzudenken. Für unseren Ansatz des kulturellen Lernens fand sich als sehr geeigneter Kooperationspartner die Paul-Klee-Schule in Celle – eine Förderschule für GE.

Die eigene Persönlichkeit entwickeln, Achtsamkeit anderen und sich selbst gegenüber erlernen, kreative Lösungsansätze suchen und finden, alte Strukturen aufbrechen und neue anzulegen wagen, hat viel mit Mut und Perspektiven zu tun. Es braucht Räume, die wir schaffen müssen, um neue Welten erfahrbar zu machen, um Selbstwirksamkeit zu erfahren. Daraus kann eine intrinsische Motivation entstehen, Transformationsprozesse anzugehen bzw. sich in sie einzubringen.

Wichtiger praktischer Umsetzungsbereich war insbesondere auch die Kooperation im Fachbereich Sport. Konkrete Projekte waren u.a. die inhaltliche Bearbeitung eines Sportangebotes beider Kollegien mit dem Kurs des 12. Jahrgangs (Sportprofil des Gymnasiums Burgdorf); der Besuch bei Hannover 96 im Stadion und Begegnung mit Akteuren; Besuch bei den „Recken“ zum Heimspiel und Begegnung mit den Akteuren; Organisation eines Sportfestes durch Schüler* innen beider Schulen.

Die sportliche Kooperation ist durch GRUNDSÄTZLICHES besonders gut geeignet:

  • Sport als besondere Möglichkeit der Begegnung → Sport verbindet
  • Soziales Lernen, gelebt in der Praxis.
  • Olympischer Gedanke → sportlicher TEAMGeist
  • Gemeinsame Aktivitäten und Erfahrungen fördern gegenseitiges Verständnis für verschiedenste Lebens- und Alltagssituationen
    → Übernahme von Verantwortung, z.B. Hilfestellung, gemeinsame Durchführung von Sporttagen (einschließlich Planung)

„Ein Projekt fürs Herz und alle Sinne“ – titelte die HAZ – und jeder, der daran beteiligt war und ist, wird genau das zu bekräftigen wissen.

 

2. Einblick in die seit 2019 erwachsene Struktur

Aus unseren zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten gewann auch wir neue Einblicke in Schule und kulturelles Lernen und es verdichtete sich immer mehr für uns, dass kulturelles Lernen ein interdisziplinärer Bildungsansatz ist.

3. Wie Erkenntnisse aus dem Projekt das Verständnis von Schule als Bildungsort für uns verändert hat

Ansatz des kulturellen Lernens ist gelebte Schul“Kultur“.

Wie ist der Begriff der Schulkultur zu füllen?

  • nachhaltige Toleranz- und Demokratieförderung
  • Nutzung außerschulischer Lernorte für (K)BNE (Kulturelle Bildung für nachhaltige Entwicklung
  • Teilhabe leben und mit leben füllen: Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung, Technisierung nutzen und nutzbar machen für Teilhabe und zukunftsweisende, visionäre transformatorische Denkansätze – Schule vernetzt mit „echter Lebenswelt“ – (vor-)gelebte Inklusion (begrifflich weit gefasst s.u.)
  • Raum für Selbstwirksamkeit schaffen – für unbewertete Lernzeit als Metaebene der Lehr-und Lernprozesse in Schule, Bildungseinrichtungen, Verwaltung und Wirtschaft (Wechselwirkung von Schule und Kooperationspartner)

=> Begegnungen initiieren und Kooperationen fördern
=> Pfade für die Vermittlung der übergeordneten Bildungskompetenz(en) in Bildungseinrichtungen finden.
=> Reflexions- und Wertschätzungskultur

Oberstes Ziel ist noch immer, ein kritisches Denken zu erziehen, sich von einer Verantwortungsethik leiten zu lassen und dieses zu vermitteln, um die Stabilität der freiheitlich verfassten Gesellschaftsordnung zu bewahren. Grundsätzlich werden wir zukünftig das Austarieren von religiöser und kultureller Diversität in den Blick nehmen müssen. Dazu muss ein Schulwesen sich den Fragen öffnen, die seine real existierende Schülerschaft stellt, auch wenn sie bisher vielleicht nicht im Curriculum vorkam.

Es sind Fragen und Ängste, die aus dem Unwissen, der eigenen Unsicherheit und Verlust-ängsten entstehen, es sind Fragen nach Schuld- und Verantwortlichkeiten, ethische Fragen nach der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens und Fragen nach dem eigenen Glück, dem Platz in unserer (Überfluss-) Gesellschaft, der eigenen Bejahung und (gesellschaftlichen/ sozialen) Verwurzelung.

Es sind die Fragen unserer Schülerschaft, die früher vermutlich zu Hause im familiären Kontext erörtert wurden, die durch Religionszugehörigkeit und Glaubensvermittlung abgefedert werden konnten.

Unsere Welt hat sich durch die Globalisierung, Digitalisierung, Technisierung und Säkularisierung stark verändert. Alles ist freier, offener, volatiler und beliebiger geworden. Jeder ist seines Glückes Schmied und kann aus sich den Menschen formen, den er sich erträumt – gespeist durch (soziale) Medien, Hypes etc. Doch diese Offenheit steht im Spannungsverhältnis zum eigenen Vermögen (kognitiver, physischer oder psychischer Belastbarkeit) und zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen nach Sicherheit, Struktur, persönlicher und gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Verwurzelung, persönlicher Annahme.

Um mit der Freiheit unserer Welt etwas anfangen zu können, müssen Kinder und Jugendliche darauf vorbereitet werden. Sich in der Welt zurecht zu finden, sich selbst zu verorten, kreative Lösungen für individuelle doch oft elementare Fragen zu finden und ihnen mutig zu folgen, sich selbst Grenzen zu setzen oder sie zu akzeptieren bedarf der Anleitung. Freiheit leben will eben gelernt werden.

 

4. Unser Verständnis von einem weitergefassten Inklusionsbegriff

Aufgrund unseres Kooperationspartners zum kulturellen Lernen, einer Förderschule für GE, haben wir uns natürlich mit dem Thema Inklusion intensiv auseinandergesetzt.

Durch gegenseitige synthetische Beratung und intime Einblicke in die Arbeit des „anderen“ haben wir das Thema Inklusion kritisch aber konstruktiv in Schule und Gesellschaft betrachtet.

Wir wünschen uns nunmehr hinsichtlich der Umsetzung von Inklusion an Niedersächsischen Schulen eine offene und konstruktive Diskussion zur Begrifflichkeit und zur Zielvorstellung, die sich aus den veränderten gesellschaftlichen Rahmengegebenheiten ergeben, denn – wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns , wollen wir uns in eine wahrhaft inklusive Gesellschaft transformieren. Inklusion (in Schule und Gesellschaft) bedeutet mehr als Integration.

Chancengleichheit zu schaffen ist hierbei ein wichtiger Aspekt sehen wir uns diejenigen an, die aufgrund einer Beeinträchtigung körperlicher und /oder sozialer Natur benachteiligt sind. Allein die institutionelle „Gleichstellung“ bewirkt keine Chancengleichheit und keine Inklusion. Wir müssen sie (vor-)leben und initiieren. Es hilft, mögliche Wertekonflikte und Sozialkonflikte anzusprechen. Wir müssen Begegnungen schaffen und Raum für Selbstwirksamkeit bieten. Es können dabei Synergien entstehen, die von immensem persönlichen und gesellschaftlichen Wert sind: Durch Fremd- und Selbstwahrnehmung werden Prozesse initiiert, die durch die Selbstreflexion, Selbstverortung zur Stärkung der Persönlichkeit beitragen.

Die Stärkung der Persönlichkeit unterstützt das Aktivwerden gegen die Starre und Ohnmacht, die viele Kinder und Jugendliche anlässlich der aufweichenden gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Orientierungslosigkeit empfinden. Kulturelles Lernen vermittelt somit elementare Kompetenzen für die Berufs- und Studierfähigkeit und i.B. für die Demokratieförderung.

 

5. Ausblick und Wünsche für die Zukunft (trotz/ oder gerade wegen Corona)

Uns beschäftigen im Zusammenhang des kulturellen Lernens, wie Gymnasien (alle Bildungseinrichtungen) den Erziehungs- und Bildungsbedarfen der Kinder und Jugendlichen während und NACH der Corona-Zeit gerecht werden können? Auch zukünftig wird uns die Anstrengung der Pandemie noch in den Knochen sitzen und von uns allen ein hohes Maß an Achtsamkeit und Resilienz verlangen. Gerade im Hinblick auf soziale Beziehungen und Strukturen sowie im kulturellen Bereich werden wir uns neu sortieren müssen. (Orchester, Chöre, Theatergruppen, Auslandsaustauschprogramme, Sportmannschaften, Kooperationen,…) – es wird eine schrittweise und langwierige Rückeroberung der Schulnormalität für uns alle bedeuten. Es ist in uns allen, schlummert in uns allen, das Grundbedürfnis nach Kontakten, kulturellem Lernen, offenem Lebensraum und Lernort. Es ist ein zentrales Element, was uns Menschen ausmacht. Wir sind „Herdentiere“ und ohne soziale Kontakte verkümmern wir und unsere Leistungsbereitschaft und unser Leistungsvermögen sinken (ungewollt). Das Miteinander hat eine politische und eine kulturelle Dimension. Über Musik, Kunst, Literatur und Geschichte ermöglichen wir uns den Zugang zu vielen inhaltlichen und methodischen Kompetenzen anderer Fächer, sowie inklusiven Kompetenzen. So bietet sich die Ästhetische Bildung als Zugang an, Lernrückstände behutsam und im Einklang mit den Grundbedürfnissen des Menschen anzugehen. In Februar/März hatte ich am Gymnasium Burgdorf ein Programm initiiert, das sich „Lernzeit in der Schule“ nennt. Es ist ein Programm, das anbot, Lernrückstände aufzuholen, bei der Strukturierung des Lernalltags und der Nutzung digitaler Endgeräte zu unterstützen, SuS aus sozial schwächer gestellten Familien ein Lernumfeld zu bieten, DAZ-Kinder zu fördern, Eltern mit inklusiv zu beschulenden Kindern zu entlasten. Insgesamt haben über 60 SuS an dem Programm teilgenommen, das auf Freiwilligkeit basiert(e). Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass nicht die Sorge um Noten und Lernrückstände Eltern und Schüler*innen von dem Programm überzeugt haben. In Gesprächen mit den Erziehungsberechtigten war vorrangig, dass ihre Kinder wieder Klassenkameraden sehen, dass Schule als Lern- und Lebensort für ihre Kinder wieder realer und greifbarer wird, dass ein (fremd-)strukturierter Tag wohltuend ist und sich wie die Rückeroberung von einem Stück Normalität anfühlt. Gerade in diesen Zeiten, in denen Bildung zunehmend privatisiert, Schulabbrecherzahlen sich verdoppeln, das (häusliche) Gewaltpotential in der Gesellschaft steigt, verfassungsferne und extremistische Stimmen in der Gesellschaft lauter werden, gewinnt kulturelles Lernen an politischer Dimension: Integration statt Exklusion, kulturelles und interkulturelles, inklusives Lernen als Bewahrung elementarer politischer, demokratischer Grundwerte. Durch demokratiepädagogisches Arbeiten gilt es, weltanschauliche Wertevermittlung zu betreiben. Zu lange schon ist durch die Pandemie ein Leerraum von Wertevermittlung entstanden oder allein den Elternhäusern überlassen (die mitunter diesen Leerraum nicht zu füllen wissen/wussten). Somit obliegt es uns u.a. diesen Leerraum neu mit (Gemeinschaft-)Sinn zu füllen und die Jugend stark zu machen gegen Extremismus, Social Media, Fake News, unreflektierte Einordnung von Ereignissen. Kulturelles Lernen lässt sich nur durch glaubwürdige, anspruchsvolle und engagierte persönliche Vermittlung (und Begegnung) vermitteln. Es bedarf der erwachsenen Generation, es bedarf an Vorbildern. Ich wünsche mir, dass neben dem großen Tross an Experten, die Corona verwalten, ein bedeutendes Expertenteam zusammengestellt wird, dass sich der Aufgabe widmet, ein Betreuungs- und Lernprogramm zusammenzustellen, in dem SuS über die Ästhetische Bildung und Sport eine positive Lernzuwendung zu den anderen Fächer finden, dass Kultur ein eigenständiger Wert zugeschrieben wird und nicht als „Kurzprogramm“ angesehen wird, dass für ein bis zwei Jahre mithelfen soll, die Folgen der Pandemie auf dem Bildungssektor aufzufangen, sondern visionär in Kultur als wesentlicher Motor der anstehenden notwendigen Transformationsprozesse unserer Zeit investiert wird. Ich wünsche mir, dass jetzt auf Hochtouren daran gearbeitet wird, unseren Bildungseinrichtungen verbindliche Zusagen für Ressourcen (wirtschaftlicher, personeller Art) zu machen und sie bei der Zusammenstellung von multiprofessionellen Teams zu unterstützen. Ich möchte mich für Mut und Weitsicht aussprechen, um Schulentwicklung trotz allem – trotz Corona – behutsam weiterzuentwickeln. Aber als pädagogische Eigenverantwortung ist der Weg nicht nachhaltig. Eine solche Richtung müsste zentral organisiert werden, durch übergeordnete regionale Programme und Langzeitprojekte. Dieses wollen und werden wir, Michael Loske und Wiebke Schwarzrock-Pittalis als Projektleiter, angehen und Wege finden, Nachhaltigkeit in Bildung zu unterstützen, Netzwerke für gleichgesinnte Bildungseinrichtungen aufzubauen und Synergieeffekte mit bereits bestehenden Netzwerken zu nutzen, um die notwendigen Transformationsprozesse, die eingangs genannt wurden, zu unterstützen und zu forcieren.

12/02/2021

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

01/2021

Um in Pandemiezeiten, in denen Kontaktbeschränkungen und Kohortenregelung Begegnungen nicht zulassen, bedarf es kreativer Lösungsansätze, Begegnungen und Kooperation neu zu denken und auf anderer Ebene erfahrbar zu machen (s. SVBL).

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

Das Gymnasium Burgdorf und die Paul-Klee-Schule, Celle, finden Wege der Kooperation trotz Pandemie im gemeinsam angelegten Graffiti Inklusionsprojekt und nutzen es als ausdrucksstarkes und öffentlichkeitswirksames Kommunikationsmedium für wichtige politische Statements

Die enge und vielseitige Kooperation zwischen dem Gymnasium Burgdorf und der Paul-Klee-Schule, Förderschule für Geistige Entwicklung in Celle, besteht seit dem Sommer 2019. Seitdem haben wir auf unterschiedlichen Ebenen im Bereich Kunst, Sport, Kultur, Pädagogik zusammen gewirkt. Unser Blick auf Schule, politische Bildung, und Pädagogik hat sich dadurch geschärft und uns in der Auffassung bestärkt, Individuelle Lernentwicklung und Förderung, Differenzierung, Demokratiebildung enger mit Persönlichkeitsbildung, Erfahren von Selbstwirksamkeit und Kreativität von Schülerinnen und Schülern zu verknüpfen (vgl. SVB, 05/2020, Demokratie – Teilhabe durch kulturelle Bildung und individuelle Lernförderung an Gymnasien. Ein interdisziplinärer Bildungsansatz am Gymnasium Burgdorf). Die eigenen Kreativität zu entdecken und zu nutzen schafft Selbstvertrauen und stärkt die positive Persönlichkeitsausrichtung auch in Krisenzeiten, so das Fazit der Teilnehmer unseres Graffitiprojektes.

Eine Woche vor den Herbstferien und zwei Tage im November arbeiteten Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Burgdorf und der Paul-Klee Förderschule gemeinsam an einem Konzept und dessen Umsetzung. Zwei Garagen auf dem Schulhof des Gymnasiums und einige Stromkästen in der Innenstadt von Burgdorf sollten angesprayt werden. Ein Celler Schüler des involvierten Oberstufenkurses entwickelt die Idee für die Garagen: ein Metronom zwischen unseren Orten sollte uns besser verbinden und symptomatisch für unsere Kooperation und gegenseitige Verantwortung in der Gesellschaft, sowie Mobilität stehen. In den Fenstern sollten die Silhouetten der mitwirkenden Sprayer aus Celle und Burgdorf (wie Scherenschnitte) zu sehen sein; sie füllen den Zug – sie sind Multiplikatoren der Idee des kulturellen Lernens, gesellschaftlicher Teilhabe und Inklusion, Toleranz und Demokratie.

Philipp von Zitzewitz

›› Diplom Künstler und Master Fernsehjournalismus

„Die Idee […] ist für mich eine wirklich schöne Metapher für das Gemeinschaftsprojekt“, so Philipp von Zitzewitz, Diplom Künstler und Master Fernsehjournalismus aus Hannover, der das Projekt mit seinem Team begleitet und die Schülerinnen und Schüler beider Schulen künstlerisch anleitet. Diese Ideen wurden auch von den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums positiv aufgenommen. Aufgrund von Corona konnte das Konzept leider nicht in gemeinsamen Sprayaktionen umgesetzt werden; abwechselnd arbeitete man an den Garagen, um eine Kohortendurchmischung zu verhindern. Das Graffiti war das Bindeglied und der Kommunikator. Am Ende stand ein gemeinsames Kunstwerk, das mit seiner positiven Aussagekraft Mut macht und Ansporn gibt, gemeinsam weiter zu denken.

„Dieses Graffiti Inklusionsprojekt [als ein Baustein des Projektes „Kulturelles Lernen verbindet“] ist für mich der erste offensive Umgang mit dem Thema der Beeinträchtigung von Menschen und der Sicht auf sie“, bemerkt Philipp von Zitzewitz, für den bei seiner Arbeit neben einem Thema immer auch die politische Bildung und das soziale Denken im Vordergrund stehen. „Graffiti funktioniert wunderbar als Türöffner, um Jugendliche für verschiedenste Aspekte zu interessieren. Unaufdringlich beginnen wir in den Projekten mit technischen Übungen, enden aber in einer tiefen Auseinandersetzung und mit einem klaren Statement.“

Der zweite Baustein unseres Graffitiprojektes musste leider umgedacht werden. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität einiger Celler Schüler und die durch Corona bestimmten Hygienevorschriften und Organisationserschwernisse, mussten die Stromkästen in Burgdorf ohne die Celler angesprüht werden. Schülerinnen und Schüler des 10. und 13. Jahrgangs des Gymnasiums Burgdorf entwickelten ausdrucksstarke Bilder mit politischen Aussagen, die ihnen persönlich wichtig waren zu den Themen Inklusion und Kooperation, Toleranz und Demokratie, Umweltschutz und Verantwortung.

„Viele Leute unterschätzen Graffiti als Kunstform. Durch Graffiti kann was echt Cooles entstehen“, so Collin. „Ich wollte sehen, ob ich das auch kann.“ Und es sei total toll, ohne Notendruck frei etwas Sinnvolles zu schaffen. Diversität und soziale Ungerechtigkeit seien wichtig Themen, die jeden angingen, „Black Lives Matter und LeaveNoOneBehind – Kampagnen hatten Einfluss auf unsere Bildentwürfe“, erklärt der Zehntklässler. Es müsse darauf aufmerksam gemacht werden, dass jeder helfen kann, jeder aktiv werden muss. Jeder müsse seinen Schutzraum ein wenig verlassen und aus seiner Komfortzone kommen und Verantwortung übernehmen, damit Gesellschaft zusammenrücken und jedem gesellschaftliche Teilhabe möglich machen kann.

Nicolas (10. Klasse) ergänzt: „Der bunte Kasten mit dem Wort „NORMAL“ soll in Frage stellen, was ist normal, wer ist normal?! Eine einheitliche Definition für „Normal“ gibt es nicht. Es ist immer ein großes Thema, dass Leute ausgeschlossen und ausgegrenzt werden wegen einer Beeinträchtigung oder ihrer Hautfarbe, ihrer Religion.“ Es sei daher wichtig, zusammenzuhalten und Beeinträchtigte gesellschaftlich zu stärken. „Ich wohne neben der Lebenshilfe Burgdorf-Peine, weshalb es für mich Alltag ist, gemeinsam zu leben.“ Verständnis für das Miteinander gehe laut Nicolas nur über Begegnung. „Es macht mich stolz, bei diesem Projekt dabei gewesen zu sein, ein Zeichen gesetzt zu haben.“

„Ich wollte unbedingt auch Teil eines solchen Projektes mit beeinträchtigten Kindern sein; ich finde es schon cool so etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen“, pflichtet Tabea ihrem Klassenkammeraden bei. Man könne den gemeinsamen Umgang miteinander lernen, denn oft habe man Ängste, sich falsch zu verhalten. Das schaffe auch für einen selber Sicherheit im Umgang mit anderen. „Als Mensch fällt leider oft die Beeinträchtigung anderer als erstes ins Auge. Der Lebensbaum ist für mich das Symbol des gemeinsamen Zusammenlebens: an einem Baum sind unendlich viele Blätter, keines gleicht dem anderen. So ist es auch mit den Menschen. Jeder Mensch ist anders und doch gehören wir alle zusammen und bilden eine Gesellschaft! Diese Message finde ich wichtig, nach außen zu tragen.“

Am letzten Tag vor den Herbstferien wurden die Ergebnisse in einem „Museumsgang“ durch die Hauptstraße Burgdorfs eingeweiht. Die Ergebnisse wurden den Cellern durch Bilder digital übermittelt. Angedacht ist aber noch einmal ein gemeinsamer Gang durch die Burgdorfer Innenstadt.

Als besonders schön hatten die Schülerinnen und Schüler den direkten Kontakt zu  den Passanten erfahren, die stehen blieben, zuschauten, mit den Sprayern ins Gespräch kamen. Durch ihre Werke hatten die Graffitikünstler schon während des Arbeitens Aufsehen erregt; sie erfuhren unmittelbar, dass ihre Aussagen Beachtung fanden und ankamen. Die Presse wurde aufmerksam auf sie und berichtete über ihre Botschaften und wenige Tage später meldete sich ein Sponsor bei uns in der Schule, der unser Projekt unterstützen will. Viele Ideen haben wir bereits, aber dann wäre es schön, sie gemeinsam, zeitgleich, ohne Sicherheitsabstand schul- und kohortenübergreifend zu verwirklichen – das wünschten sich alle Beteiligten. Es wäre schön und eigentlich wichtig, wenn jede Klasse in dieses Projekt involviert wäre und eine Partnerklasse oder -gruppe an die Seite bekäme, um Schranken und gesellschaftliche Vorurteile aufzuweichen und um das „Kulturelle Lernen“ in unseren Schulalltag stärker zu integrieren, fordert der Schüler Nicolas.

Bis das möglich ist, werden wir uns aber weiter kreativ und flexibel zeigen, um mit Projekten wie diesem „kulturelles Lernen“ auch jetzt zu vermitteln. Das erfordert natürlich schulintern eine breite Zustimmung sowie flexible und offene Arbeitsweisen am Projekt. Mit Philipp von Zitzewitz hatten wir einen hervorragenden Sparringspartner, der seine Arbeitsweise allen Bedürfnissen des schulischen Alltags (Veranstaltungen, Klausuren, Konferenzen, Hygienevorschriften, …) angepasst hat, was für das Gelingen dieses Teilprojektes unabdingbar war.

Eine Gruppe von Schülern macht unter seiner Anleitung einen Dokumentarfilm über das ganze Projekt. In dieser Form ergründen wir inhaltlich das Thema und reflektieren gemeinsam mit allen Beteiligten, Sponsoren und Politikern die verschiedenen Facetten unseres Bildungsauftrages zu „Demokratie und Teilhabe“ und die wichtige Rolle, die dabei dem kulturellen Lernen zukommt.

Der Film wird – sowie auch alle Interviews und Fachartikel – auf der Homepage unseres Projektes https://kulturelleslernenverbindet.de ab Frühjahr 2021 veröffentlicht. So haben wir die Möglichkeit, unsere Ergebnisse einer großen Gruppe von Menschen zugänglich zu machen.

05/2020

Erfahren Sie mehr über unsere Handlungsfelder und auf welchen Ebenen die Kooperation zwischen dem Gymnasium und der Förderschule für GE gelingt (s. SVBL).

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

Uwe Kirchner

›› FörderschulrektorPaul-Klee-Schule Celle

UNSER PROJEKT:
Ein interdisziplinärer Bildungsansatz am Gymnasium Burgdorf

Seit diesem Schuljahr (2019/20) kooperiert das Gymnasium Burgdorf mit der Paul-Klee-Schule (Förderschule für geistige Entwicklung), Celle, im Rahmen eines Projekts zum kulturellen Lernen. Dabei schaffen wir aktiv Begegnungen zwischen Lernenden, Eltern, Pädagogen und Mitarbeitern beider Schulen. Beispiele für Begegnungen sind Kinovorführungen, Theaterveranstaltungen, Sportfeste, Kunstausstellungen etc. Darüber hinaus arbeiten wir aber auch im Bereich der ästhetischen Bildung und im Fach Sport zusammen. Diese Zusammenarbeit erfolgt auf vier verschiedene Weisen:

  1. Durch wechselseitige Ausstellungen informieren wir die Schulöffentlichkeit über Arbeitsprozesse und Ergebnisse zu gemeinsamen Themen, die sich im normalen Schulbetrieb ergeben und im Rahmen unserer Curricula möglich sind. So haben wir z.B. im Fachbereich Kunst eine gemeinsame Kulturwoche im Februar ausgerichtet, in der Exponate zu verschiedenen Themen (Bauhaus und Paul Klee, Nachhaltigkeit und Recycling-Kunst, Graffitis zur Erinnerungskultur u.a.) ausgestellt und als interaktive Ausstellung den Burgdorfer Schulen präsentiert wurden. Zusammen richteten wir Abendveranstaltungen mit Musik, Tanz und bunten Spielen für die interessierte Öffentlichkeit aus.
  1. Zudem arbeitet das Gymnasium Burgdorf mit Arbeitsergebnissen der Paul-Klee-Schule. Beispielsweise hat die Förderschule Handpuppen von Paul Klee nachgebildet. Das Gymnasium Burgdorf wiederum hat in einer AG Roboter gebaut und sie so programmiert, dass die Puppen zur Musik über eine App zum Tanzen gebracht werden können. Eine 8. Klasse des Gymnasiums Burgdorf arbeitete in einem fächerverbindenden Kunst-Englisch-Projekt zu Kostümen des Triadischen Balletts, welche die Förderschüler hergestellt hatten. Hierzu entstanden Plakate auf Englisch im Rahmen der curricularen Vorgaben beider Fächer im regulären Unterricht.
  1. Die dritte Arbeitsweise besteht darin, gemeinsam zusammenzuwirken. So hat der Sportleistungskurs einen Sportwettbewerb in der Paul-Klee-Schule ausgerichtet und hat mit den Förderschülern Sportfeste vorbereitet.
    Weitere Begegnungen gemeinsamen Zusammenwirkens sind u.a. geplante Gaffitiarbeiten, bei denen Lernende beider Schulen die Stromkästen Burgdorfs zum Thema „Natürlich Burgdorf“ (städtisches Jahresthema) verschönern, das Anlegen eines Dachgartens im Rahmen unserer Projektwoche und das Errichten eines Informationsraums zu inklusiver Arbeit. Im Mai nehmen Lernende, Lehrende, pädagogische Mitarbeiter und Eltern gemeinsam an einer Studienfahrt nach Bern in das Paul-Klee-Zentrum teil, um dort in gemischten Workshops zu arbeiten und freie Zeit gemeinsam zu verbringen.
  1. Ferner nutzen beide Schulformen gegenseitig die fachlichen und pädagogischen Expertisen der anderen, beispielsweise bei der Beratung von Inklusion, der Ausgestaltung von Nachteilsausgleichen, Fachtagungen zu differenzierter Pädagogik, Arbeitsweisen zum Fachvokabular etc.

Eine gegenseitige Abordnung von 6 Stunden unterstützt die Kommunikation und Vernetzung.

Welchen Mehrwert sollen Projekte in den Bereichen Sport und ästhetische Bildung mit einer Förderschule für Geistige Entwicklung für ein Gymnasium haben? Ist die Störung des schulischen Alltags durch zusätzliche Veranstaltungen gerechtfertigt durch einen Output, der messbar und sinnvoll ist?

Das Besondere an dem Projekt „Kulturelles Lernen verbindet“ ist, dass es anknüpfend an die curricularen Vorgaben einen Frame bietet, der kein konkretes, generalisierendes und messbares Lernziel vorgibt. Es schafft einen offenen, in Schule begrenzt beurteilten Raum, der den Jugendlichen die Möglichkeit der individuellen Persönlichkeitsentwicklung gewährt. Durch die Chance der Begegnung lernen die Schülerinnen und Schüler nachhaltig und ganzheitlich, Berührungsängste abzubauen, die Welt im größeren Kontext als ihren Schutzraum Gymnasium wahrzunehmen, selbstwirksam sein zu können und politische und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. „Kulturelles Lernen verbindet“ Hochbegabte und Hochleister, Gymnasiasten und Förderschüler und verschafft auf unterschiedlichen Ebenen allen Teilnehmern erlebte Teilhabe.  Als Zwischenevaluation unseres Projektes halten wir zum jetzigen Zeitpunkt die Erkenntnis fest, dass kulturelles Lernen Schule und Schulentwicklung neu denken lässt, da es viele Fragen und Aufgaben unserer veränderten Gesellschaft aufgreifen kann. Die Kooperation zwischen dem Gymnasium Burgdorf und der Paul-Klee-Schule Celle zeigt, dass es weit mehr gemeinsame Schnittstellen bei den jeweiligen schulischen Programmen gibt, als es die öffentliche Wahrnehmung beim Thema Inklusion, mit ihrem sehr eingeschränkten oft ausschließlichen Blick auf den gemeinsamen Unterricht, erwarten lässt. Diese Chance haben beide Schulen genutzt.

Auf unserer Homepage www.kulturelleslernenverbindet.de werden prozessbegleitend Arbeitsergebnisse sowie abschließend eine Evaluation veröffentlicht.

11/2019

In unserem ersten Artikel, veröffentlicht in der Fachzeitschrift SV, wird unser Ansatz des ganzheitlichen Bildungsprojektes zum Kulturellen Lernen vorgestellt. Gemeinsam haben wir uns mit der Paul-Klee-Schule, Förderschule GE, Celle, als Kooperationspartner auf neue Wege begeben, Bildung nachhaltig – im Hinblick auf Demokratieförderung, Partizipation und Teilhabe, Persönlichkeitsentwicklung – durch aktionsorientiertes, transformatives Lernen nachhaltig zu vermitteln.

Wiebke Schwarzrock-Pittalis

›› StD‘, Goetheschule Hannover, bis 10/21 Sek-I-Koordinatorin Gymnasium Burgdorf

Michael Loske

›› LRSD, Leitender Regierungsschuldirektor Hannover, bis 08/20 Schulleiter Gymnasium Burgdorf

UNSER PROJEKT

Der gesellschaftliche Querschnitt von Schülerinnen und Schülern an Gymnasien ist in der letzten Dekade sehr viel größer geworden. Dieser Umstand und der Blick für die individuelle Lernentwicklung unserer Kinder und Jugendlichen nehmen in der Beratung von Lehrenden, Lernern und Eltern immer mehr Raum im Schulalltag ein. Pluralität und Heterogenität stellen für viele Denkprozesse, Gedankenaustausche und unser Miteinander eine ungemeine Bereicherung dar, fordern uns aber auf, bestehende Strukturen und Traditionen zu hinterfragen, Lösungsansätze zu überdenken und neue Wege zu gehen.

Unser Projekt zu dem Thema Demokratie – Teilhabe durch kulturelle Bildung und individuelle Lernförderung an Gymnasien“ beschreitet einen solchen neuen Weg. Es ist ein innovatives Bildungsprojekt, das wir in diesem Schuljahr 2019/20 gemeinsam mit der Paul-Klee-Schule in Celle (Förderschule für GE) durchführen.

Die Kooperation zwischen dem Gymnasium Burgdorf und der Paul-Klee-Schule Celle verfolgt eine nachhaltige kulturelle Bildung im Sinne des UNESCO-Weltprogramms: Bildung für nachhaltige Entwicklung.1 „Damit verbunden sind für uns Ziele wie die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung durch das Erschließen kultureller Handlungsfelder und die Schaffung von Anlässen für Begegnungen von beeinträchtigten und nicht-beeinträchtigen Kindern und Jugendlichen“, so Uwe Kirchner, Schulleiter der Paul-Klee-Schule. Gemeinsame Unternehmungen im kulturellen und sportlichen Rahmen sollen hierbei als Erfahrungsgrundlage für ein besseres gegenseitiges Verständnis dienen.

Zusammen wollen wir Inklusion in Schule neu diskutieren und neu denken, statt der reinen Form des gemeinsamen Unterrichts andere Formen der Inklusion aufzeigen und zur Nachahmung ermutigen. „Mit dem Gymnasium Burgdorf haben wir einen Kooperationspartner gefunden, der diese Vorstellungen nicht nur teilt, sondern mit viel Engagement und sehr großem Ideenreichtum in konkrete Projekte umsetzt“, meint Uwe Kirchner.

Uwe Kirchner

›› FörderschulrektorPaul-Klee-Schule Celle(Förderschule für GE)

Die Umsetzung des Projektes „Demokratie – Teilhabe durch kulturelle Bildung und individuelle Lernförderung an Gymnasien“ bedeutet für das Gymnasium Burgdorf, die Öffnung der Schule weiter fortzuführen und Zugänge zum Lehren und Lernen anzubieten, die zum schulischen Kompetenz- und Wissenserwerb auch das „richtige Leben“ in unsere Schule bringen und uns (den Schülerinnen und Schülern, aber auch Lehrerinnen und Lehrern) „neue Handlungsdimensionen“2 eröffnen. Wir wollen Kooperationen, Kulturpartnerschaften und interprofessionelle Zusammenarbeit zukünftig stärker nutzen, um „Lernen als bildende Erfahrung3 mit schulisch initiierten Lernprozessen zu verknüpfen, und zielen darauf ab, unseren Bildungsauftrag als einen ganzheitlicheren zu verstehen, der die Persönlichkeitsbildung aller unserer Schülerinnen und Schüler bewusst in den Mittelpunkt unserer pädagogisch-didaktischen Überlegungen stellt.

Kulturelles Lernen und Individuelle Lernentwicklung

Unser Ansatz: Das gilt sowohl aus der Perspektive der gymnasial Beschulten als auch aus der der Förderschüler. (Wiebke Schwarzrock-Pittalis und Michael Loske)

Im Wesentlichen geht es uns darum, dem starken Vereinzelungsprozess unserer Zeit – bedingt durch sozialpolitische und gesellschaftliche Prozesse im Bedingungsfeld der Digitalisierung – ein nachhaltiges und wirkungsvolles Angebot zur individuellen Lernentwicklung entgegenzusetzen. Die Umsetzung soll erfolgen, indem wir Begegnungen ermöglichen und Handlungsfelder eröffnen, die die Selbstwirksamkeit für unsere Lernenden erfahrbar machen und das Lernen in einen von den Kindern und Jugendlichen als sinnvoll empfundenen und gesellschaftlichen Kontext setzen.

Aus diesem Impuls heraus entstand die Idee zu dem umfassenden kulturellen Bildungsprojekt, das Michael Loske, Schulleiter des Gymnasiums Burgdorf, und Wiebke Schwarzrock-Pittalis, Sek-I-Koordinatorin des Gymnasiums Burgdorf, angestoßen haben (Projektbeginn Nov. 2019).

 

PROJEKTAUSGESTALTUNG

Unser Bildungsprojekt „Demokratie – Teilhabe durch kulturelle Bildung und individuelle Lernförderung an Gymnasien“ ist zunächst auf ein Schuljahr angelegt, ist aber als Beginn einer andauernden Zusammenarbeit mit der Paul-Klee-Schule gedacht.

Inhaltlich orientiert sich unsere Arbeit an zwei thematischen Schwerpunkten: dem Werk des Künstlers Paul Klee (in diesem Schuljahr jähren sich sein 140. Geburtstag und sein 80. Todestag) und dem Themenjahr unserer Stadt, Natürlich Burgdorf“.

Im Unterricht – sofern es die curricularen Vorgaben zulassen – sowie im AG-Bereich und in Workshops (an Nachmittagen, Wochenenden und als Ferienangebote) werden Lernende auf unterschiedlichste Weise kreativ werden.

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums – auch Kinder unserer Begabungsförderung – sowie Schülerinnen und Schüler der Förderschule werden gemeinsam und auf Augenhöhe an einem Gesamtergebnis und an gemeinsamen Präsentationen (Theatervorführungen, Musikveranstaltungen, Kunstausstellungen in beiden Städten – auch an öffentlich zugänglichen Standorten) arbeiten.

Da der Bereich der ästhetischen Bildung mittlerweile nicht mehr nur die klassischen Ressorts des Fächer- und Methodenkanons (wie zum Beispiel Kunst, Darstellendes Spiel, Musik, kreatives Schreiben) umfasst, sondern auch die modernen Medien in inhaltlicher und technischer Hinsicht einbezieht (zum Beispiel im kreativen Umgang mit dem 3-D-Druck), gibt es eine Fülle von „kreativen Möglichkeiten und musisch-künstlerischen Ausdrucksformen für die Schülerinnen und Schüler, [die] eine individuelle und entwicklungsförderliche Auseinandersetzung mit dem Werk eines der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts ermöglichen. [Und aufgrund dieser Möglichkeiten, urteilt Herr LMR Andreas Stein, MK, können] Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Lebens- und Alltagswelten hier besonders unvoreingenommen inklusiv miteinander lernen“.

Herr LMR Andreas Stein

›› Leitung des Referates 33Niedersächsisches Kultusministerium

Uwe Kirchner verstärkt diesen letzten Aspekt noch einmal, wenn er konstatiert, dass seine Schülerinnen und Schüler sich nur über den Bereich der Ästhetik definieren könnten, weshalb phantasievolle, individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und offene Lernzugänge eine wirkungsvolle Zusammenarbeit ermöglichten und darüber hinaus auch gesellschaftliche und soziale Brücken geschlagen werden könnten.

Diese Möglichkeit sehen wir auch im Bereich Sport und haben unser Projekt dahingehend erweitert.

Die Dokumentation des Bildungsprogramms erfolgt durch einen Dokumentarfilmer, Philipp von Zitzewitz. In einem Online-Kongress hat die (Schul-)Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich zum Thema kulturelles Lernen und zu unserem Projekt auszutauschen; im Anschluss an das Projekt erfolgt eine Auswertung, die wir im Hinblick auf unsere Schulentwicklung nutzen wollen.

 

WARUM DIESES PROJEKT? UNSER BILDUNGSAUFTRAG!

Dass ein Gymnasium mit einer Förderschule eng zusammenarbeiten will, hat zunächst viele Fragen aufgeworfen, als das Projektvorhaben in die Schulöffentlichkeit kommuniziert wurde. Es gab Anlass, leistungs- und ergebnisorientierte Ziele und messbare Erfolge eines solchen Projektes zu hinterfragen. Inwiefern können die Schüler des Gymnasiums Burgdorf von einer solchen Zusammenarbeit profitieren? Worin liegt der Gewinn für unser Gymnasium?

Über den Stellenwert von Persönlichkeitsbildung in Schule in den offenen Dialog zu treten, ist bereits ein Gewinn.

In dem Projekt „Demokratie – Teilhabe durch kulturelle Bildung und individuelle Lernförderung an Gymnasien“ geht es doch im Wesentlichen darum, den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, „selbstbestimmt und auf unterschiedliche Weise ihre Persönlichkeit zu bilden, ein kritisches Bewusstsein zu sich und ihrer Umwelt zu erlangen, die eigenen Potenziale entfalten zu dürfen und eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sie miteinander leben wollen.“4

Wie eingangs hervorgehoben, können Möglichkeiten zur Erkenntnis der Selbstwirksamkeit angeboten werden. Sich selbst als ein Mitglied der Gesellschaft zu erfahren, das etwas bewirken und nachhaltig mitgestalten kann, stiftet Lebenssinn, bietet Perspektiven und motiviert intrinsisch letztlich auch, sich der Wissens- und Kompetenzvermittlung in Schule mehr zu öffnen und hätte somit positive Auswirkungen auch auf das schulische Lernen.

Jedem Projekt, dessen Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert werden, wird in der Vorbereitung durch die Schülerinnen und Schüler automatisch mehr Bedeutung beigemessen: Sorgfältigere und tiefgreifendere Vorbereitungen und Recherchen, interessantere Aufbereitungen und aufwendigere Gestaltungen sind offenkundig. Sie empfinden Ihre Arbeit wertgeschätzter, sehen sich aber auch dem Schutzraum Schule entzogen und der kritischen Auseinandersetzung der Gesellschaft mit ihrem Erarbeiteten gegenübergestellt. Schule durch solche Projekte zu öffnen, bietet den Lernenden deutlichere Ansätze sich selbst zu reflektieren. Sich in Bezug zur Welt und zum vermittelten Wissen zu stellen, macht dies doch schließlich erst aus Wissensvermittlung einen Lernprozess und lässt die eigene Verortung in der Gesellschaft, also die Teilhabe, zu. Das ist unser Anspruch an (gymnasiale) Bildung!

Ein weiterer wesentlicher Aspekt, den es zu bedenken gilt, ist der Umstand, dass es zu einem beträchtlichen Teil die heutigen Gymnasiasten sein werden, die unsere zukünftige Gesellschaft in Politik, Bildung und Kultur formen und weiterdenken werden. Es muss daher auch zwingender gymnasialer Anspruch sein, unseren Schülerinnen und Schüler den Blick für Personengruppen unserer pluralistischen Gesellschaft zu öffnen, die oft in unserem Denken vernachlässigt werden, zumal die Zahl der Kinder, die aufgrund von Verwahrlosung, Missbrauch und Nichterziehung eine geistige Behinderung postnatal erfahren, habe in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, so Uwe Kirchner.5 Auch hieraus erschließt sich ein klarer bildungspolitischer Gesellschaftsauftrag, eine Verantwortung, in die wir unsere gymnasialen Schülerinnen und Schüler einbinden müssen.

Unser Bildungsprojekt „Demokratie – Teilhabe durch kulturelle Bildung und individuelle Lernförderung an Gymnasien“ ist bewusst ausgerichtet auf das gemeinsame Miteinander von Gymnasiasten, Förderschülern, Hochbegabten und Kindern mit Migrationshintergrund. Es ist ein Beispiel für gelebte und wirkungsvolle inklusive Arbeit6 und schließt selbstverständlich interkulturelles Lernen ein7.

Dies im Blick habend, wirbt der Niedersächsische Landeselternratsvorsitzende Mike Finke für unser Bildungsprojekt, in dem Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit erhalten, das gemeinsame Miteinander neu zu definieren. Die Schülerinnen und Schüler „bekommen das Handwerkszeug für ihren Lebensweg, der geprägt ist von einer schnelllebigen und heterogenen Gesellschaft und werden auf die Welt von morgen vorbereitet.“ Das Projekt sprenge Grenzen und wirke Vorurteilen entgegen – somit übernehme das Projekt „eine Vorbildfunktion, nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Gesellschaft“, urteilt Mike Finke abschließend.

Mike Finke

›› VorsitzenderNiedersächsischer Landeselternrat

Zudem sehen wir uns durch unseren Bildungsauftrag8 umfassend bestätigt, schließt er unseres Erachtens die kulturelle Bildung automatisch mit ein, denn aufklärerische und humanistische Bildungsansätze bahnen durch das Anstoßen von Lernprozessen die Mündigkeit und Persönlichkeitsstärkung an.9

Toleranz, kritisches Denken und Verantwortungsbewusstsein sind darüber hinaus Fähigkeiten, die unter §2, Abs. 1, S. 3 NSchG genannt werden, die als Schlüsselkompetenzen kultureller Bildung gelten und eben gerade durch unsere Kooperation mit der Förderschule gefordert und gestärkt werden.10

 

FAZIT UND AUSBLICK

Im Zuge unserer Kooperation mit der Paul-Klee-Schule in Celle haben wir wechselseitige Abordnungen im Fach Kunst erwirken können, so dass uns durch das Arbeiten an der jeweils anderen Schulform intensive Einblicke gewährt werden, ohne die wir die gewünschte Tiefe unseres Projektes nicht erzielen könnten. Nach nur wenigen Arbeitstagen an der Förderschule fällt auf und beeindruckt, wie sehr dort jeder Unterrichtsinhalt und -gegenstand sorgfältig daraufhin überprüft wird, inwiefern er dazu beitragen kann, dass die zu beschulenden Kinder etwas lernen, das sie ein Stück weit mehr befähigt, selbstständige Teilhaber unserer Gesellschaft zu werden. Aber genau das muss, auch wenn wir kognitiv am Gymnasium auf einem anderen Anforderungsniveau arbeiten und den Auftrag haben, ein bestimmtes Bildungsniveau zu vermitteln, ebenfalls unser Anspruch an Wissensvermittlung sein.

Gemeinsam mit der Paul-Klee-Schule wollen wir also in diesem Schuljahr Möglichkeiten und Handlungsfelder für uns entdecken und erschließen, um kulturelles Lernen an unseren Schulen zu stärken, Begegnungen zu schaffen, Expertenwissen auszutauschen und Horizonte zu erweitern, indem durch Erfahrungen soziales, politisches, gesellschaftliches Verständnis erwächst. Wir wollen den gesellschaftlichen Wandel vor Ort begleiten.11 Zudem wünschen wir uns, dass jeder einzelne in das Projekt eingebundene Lernende12 durch Verantwortungsübernahme und sinnhafte Tätigkeit eine erfahrbare Verortung in der Gesellschaft erlebt. Unser zentrales Anliegen dabei bleibt, die Qualität des Lernens positiv und nachhaltig zu beeinflussen.

Dieses gemeinsame Projekt bietet einen sinnvollen und gewinnbringenden pädagogischen Austausch zwischen Schulformen, der unseres Erachtens richtungsweisend ist und anderen Gymnasien Mut machen soll, sich zu öffnen, um neue Wege zu gehen.

Als eigenverantwortliche Schule haben wir einen Rahmen, der es uns als Schule ermöglicht, eigene kreative Wege zu gehen, dabei unser Profil zu schärfen, unsere Schulprogrammentwicklung auf die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten immer wieder neu abzustimmen und somit auch unserer sich verändernden Schülerklientel und deren Bedürfnissen gerecht zu werden. Der Handlungsraum, den wir Lehrkräfte durch unsere pädagogische Arbeit haben, nämlich beispielsweise Prozesse (inter-)kulturellen Lernens anzustoßen, ermöglicht uns einen gewichtigen sozialpolitischen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe, zur Demokratieförderung, zum Eintritt unserer Schülerinnen und Schüler in die Erwachsenen- und Berufswelt zu leisten.

Wir versprechen uns von unserem Projekt interessante Impulse und spannende Denk- und Lösungsansätze für die aktuellen Herausforderungen unserer Arbeit.

1 „Nachhaltige Entwicklung bedeutet, Menschenwürde und Chancengerechtigkeit für alle in einer intakten Umwelt zu verwirklichen.“ Vgl. www.unesco.de (06.09.2019).
2 vgl. Christian Kammler, Dr. Armin Lohmann, S. 1-12.
3 Schratz, Schwarz & Westfall, 2012, S. 24-28.
4 Simone Odenthal, in: Christian Kammler, Dr. Armin Lohmann, Kulturelle Bildung an Schulen, S.23f.
5 vgl. dazu auch die Sinus-Jugendstudie: www.sinus-institut.de (06.09.2019).
6 Wir wollen an dieser Stelle den Inklusionsbegriff unbedingt weit gefasst verstanden wissen. Nur so können wir nach unserem Verständnis jeder Schülerin / jedem Schüler im Gymnasium gerecht werden.
7 – wobei wir glauben, dass kulturelles Lernen wesentlich zum Gelingen interkulturellen Lernens beitragen kann und sollte.
8 NSchG §2 Abs. 1, Satz1
9 Im NSchG §2 Satz 3 heißt es u.a. auch: Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden, die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen, […], nach ethischen Grundsätzen zu handeln […], das soziale Leben verantwortlich mitzugestalten.
vgl. auch: Eiko Jürgens 2010, S.54; ebender, 2013, S.214; Christian Kammler, Dr. Armin Lohmann, S.34.
10 Durch unser Projekt, das aus unterschiedlichen Teilprojekten mit verschiedenen Schwerpunkten besteht (s.o.), bieten wir Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern den Erfahrungsraum und die Gestaltungsfreiheit […], die zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich sind.
11 Das Mehrgenerationenhaus in Burgdorf kann dabei weitreichend unterstützen.
12 Hier ist der Begriff weit gefasst zu verstehen; auch Lehrkräfte, Mitarbeiter und Eltern sind neben Schülerinnen und Schülern in diesem Fall als Lernende zu verstehen.

20/04/2021